So finden Sie qualifizierte Nachfolger für Ihr Gremium

17. März 2021

Lesezeit 4 Minuten

Nicht nur viele Unternehmer plagen Nachwuchssorgen, sondern auch so manch einen Betriebsrat. In gut einem Jahr finden die nächsten regulären Betriebsratswahlen statt. Sind Sie ein junges Gremium und haben alle Mitglieder Lust, noch etwas weiterzumachen, sind Sie gut dran. Es gibt allerdings auch einige Betriebsräte, in denen sich Kollegen in den Ruhestand verabschieden oder das Amt einfach nicht mehr ausüben wollen. In einem solchen Fall müssen Sie als Betriebsrat sich frühzeitig um den Fortbestand Ihres Gremiums kümmern. Eine strategische Nachfolgeplanung ist auch für Ihr Gremium sinnvoll.

§ 96 Abs. 1 Satz 2, 3 BetrVG

Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebs zu beraten. Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen.

Nachwuchsmangel hat unterschiedliche Ursachen

Man sollte eigentlich meinen, dass es überhaupt kein Problem ist, jüngere Arbeitnehmer für den Betriebsrat zu gewinnen. Dennoch tun sich die Gremien im Allgemeinen schwer damit, neue Kandidaten zu finden.

Das hat unterschiedliche Ursachen:

  • Junge Arbeitnehmer befürchten, durch das Amt Karrierenachteile zu erleiden.
  • Einigen Unternehmen geht es immer noch zu gut. Deshalb will sich niemand mehr engagieren, um gute Arbeitsbedingungen noch weiter zu optimieren.
  • Der Betriebsrat wird gerade in modern geführten Unternehmen als „veraltet“ angesehen. Die Beschäftigten meinen, dass sie Schwierigkeiten und Probleme auch ohne Betriebsrat offen mit dem Arbeitgeber diskutieren und beseitigen können.
  • Zudem gibt es in einigen Unternehmen eine gewisse Betriebsratsverdrossenheit. Und zwar vor allem dann, wenn es über einen längeren Zeitraum Anzeichen von Machtlosigkeit gegeben hat. Dann erkennen die Arbeitnehmer den Sinn und die Vorteile eines solchen Gremiums nicht mehr.

Ideen, um Nachwuchs zu gewinnen

Um etwaige Nachwuchssorgen zu beseitigen und einem Betriebsratsgremium wieder ein besseres Standing zu verschaffen, benötigen Sie Ideen. Bei Nachwuchssorgen ist es Ihre Aufgabe, Ihre Kolleginnen und Kollegen von den Möglichkeiten und Vorteilen des Betriebsratsamts zu überzeugen. Stellen Sie klar, dass Ihr Gremium mit den „angestaubten“ Arbeitnehmervertretungen aus früheren Zeiten nicht mehr viel zu tun hat.

Gestaltungsmöglichkeiten

Weisen Sie darauf hin, dass Sie als Betriebsrat den Betrieb aktiv mitgestalten. Schließlich haben Sie umfangreiche Mitbestimmungsrechte, die Sie auch aktiv nutzen. Sie haben deshalb die Möglichkeit, Veränderungen durchzusetzen, Ihren Betrieb moderner und arbeitnehmerfreundlicher aufzustellen. Erklären Sie in diesem Zusammenhang aber auch, dass die Mitbestimmung von der Beteiligung und dem Engagement der Aktiven lebt.

! Achtung: Gute Betriebsratsarbeit erfordert, dass Sie mit Passion dabei sind

Schließlich kann ein Betriebsrat nur so gut sein, wie seine Mitglieder sind. Ein Gremium kann nur etwas bewirken, wenn die Mitglieder

  • zur Teamarbeit bereit sind,
  • sich für eine gute Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber und
  • sich aus Überzeugung für die Belegschaftskollegen einsetzen.

Einblick in das Innere des Unternehmens

Ein weiterer Vorteil, von dem Sie als Betriebsrat profitieren, ist, dass Sie aufgrund Ihrer Position stets sehr nah an der Geschäftsführung „dran sind“. Sie erhalten deshalb zu jeder Zeit einen guten Einblick in das Innere des Unternehmens. Im Zusammenhang mit diesem Argument sollten Sie auch immer darauf hinweisen, dass es zumindest Ihr grundsätzliches Ziel ist, ein gutes, partnerschaftliches Verhältnis zum Arbeitgeber zu haben. Stellen Sie klar, dass Sie sich nach außen hin ausdrücklich immer dafür einsetzen. Denn je besser Ihr Verhältnis zum Arbeitgeber ist, desto besser wird dieser Sie in sämtliche Angelegenheiten einbeziehen. Das ist wichtig, um Prozesse und Veränderungen frühzeitig mitzugestalten.

Lebenslanges Lernen ‒ lebenslanges optimieren

Das Arbeitsleben verlangt heute von uns allen, dass wir bereit sind, lebenslang zu lernen, Veränderungen umzusetzen und uns selbst den Veränderungen eines Betriebsablaufs entsprechend anzupassen. Als Betriebsrat setzen Sie sich nicht nur aktiv für Ihre Kolleginnen und Kollegen ein. Durch Ihr Engagement bilden Sie sich zudem in den unterschiedlichsten Bereichen ständig fort.

Um das Beste für Ihre Kollegen „rausholen“ zu können, sind Sie gehalten, sich in die unterschiedlichsten Themen einzuarbeiten. Das erfordert ein zusätzliches Engagement, das Ihnen aber bei einer potenziellen beruflichen Weiterentwicklung im Betrieb oder auch in einem anderen Unternehmen durchaus helfen kann.

Zudem müssen Sie neuen Dingen gegenüber stets offen sein. Auch das kommt bei den meisten Arbeitgebern gut an. Denn viel zu häufig sind die Betriebe nach wie vor davon geprägt, so lange wie möglich an den bisherigen Abläufen festhalten zu wollen. Organisationen müssen sich aber heute ‒ wegen der ständigen technischen Weiterentwicklungen ‒ wesentlich schneller ändern als früher, sie unterliegen einem ständigen Wandel. Das kann nur funktionieren, wenn etwaige Veränderungen auch von den Arbeitnehmern mitgetragen werden. Die sträuben sich allerdings oft. Wer sich hier offen und zugänglich zeigt, ist klar im Vorteil.

Ehrenamt verschafft Ansehen

Schließlich ist das Betriebsratsamt ein Ehrenamt, das Ihnen meist Ansehen verschafft ‒ gerade in der heutigen Zeit. In vielen Bereichen prägt ein gewisser Egoismus die Abläufe. Einige Menschen engagieren sich nur, wenn das für sie persönlich von großem Vorteil ist. Das Engagement für Ihre Kolleginnen und Kollegen und damit für die Gesellschaft wird Ihnen deshalb hoch angerechnet werden.

§ 97 Abs. 1 BetrVG

Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat über die Errichtung und Ausstattung betrieblicher Einrichtungen zur Berufsbildung, die Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen und die Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen zu beraten.

Sicherer Arbeitsplatz

Ein weiterer klarer Vorteil des Betriebsratsamts ist, dass Sie als Amtsinhaber über einen sicheren Arbeitsplatz verfügen. Schließlich profitieren Sie vom besonderen Kündigungsschutz. Das heißt, eine ordentliche Kündigung ist während der Amtszeit und ein Jahr danach unzulässig.

All diese Argumente können Sie nutzen, um Kolleginnen und Kollegen für das Amt zu gewinnen. Um sie letztlich tatsächlich von einem Engagement überzeugen zu können, müssen Sie auch die kritischen Fragen beantworten können.

Antworten auf kritische Fragen parat haben

Besonders kritisch im Hinblick auf die Neugewinnung von Kandidaten für das Betriebsratsamt ist die berufliche Weiterentwicklung. Gerade junge Arbeitnehmer, die noch viele Jahre ihres Berufslebens vor sich haben, wollen sich ihre Karrierechancen nicht durch die Tätigkeit im Betriebsrat verbauen.

Insoweit ist vor allem Ihr Arbeitgeber gefragt. Denn es ist tatsächlich ein Problem, dass gerade freigestellte Amtsinhaber mindestens 4 Jahre aus ihrer eigentlichen Tätigkeit raus sind.

Fordern Sie fachliche Weiterbildung

Statt die freigestellten Mitglieder auf das Betriebsratsamt zu reduzieren, sollte Ihr Arbeitgeber im eigenen Interesse dafür sorgen, dass diese Kolleginnen und Kollegen ein Minimum an fachlichen Fortbildungen während der Zeit ihrer Amtstätigkeit besuchen. Denn abgesehen von der Tatsache, dass er heute dringend auf Fachkräfte angewiesen ist, ist die Zusammenarbeit mit auch fachlich gut ausgebildeten Betriebsräten für ihn effizienter und erfolgreicher. Ihr Arbeitgeber sollte deshalb nach außen hin klarstellen, dass er engagierte Betriebsräte darin unterstützt, auch ihr Fachwissen während der Amtszeit aufzuwerten. So können diese am Ende der Amtszeit umgehend wieder in ihrem früheren Bereich durchstarten. Ihrem Arbeitgeber spart die langfristige Bindung an das Unternehmen Kosten.

So reden Sie beim beruflichen Fortkommen Ihrer Kollegen mit

Gute und motivierte Kollegen müssen gefördert werden. Da bleiben Berufsbildungsmaßnahmen nicht aus. Obund inwieweit Ihre Mitbestimmungsrechte aus §§ 96 ff. Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) berührt sind, hängt davon ab, wie Ihr Arbeitgeber etwaige Förderprogramme und Trainings gestaltet.

So können Sie von ihm z. B. verlangen, dass er den Berufsbedarf ermittelt und anschließend Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer mit Ihnen berät (§ 96       Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Ich empfehle Ihnen, Ihre Beteiligungsrechte auf jeden Fall zu nutzen.

§ 15 Abs. 1 BetrVG

Der Betriebsrat soll sich möglichst aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche und der verschiedenen Beschäftigungsarten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer zusammensetzen.

Tipp: Sichern Sie die berufliche Weiterentwicklung per Betriebsvereinbarung

Am besten sichern Sie etwaige Ansprüche Ihrer Kolleginnen und Kollegen in einer entsprechenden Betriebsvereinbarung ab, die ihnen konkrete Ansprüche gewährt.

Vertrauen in die Erfahrung fördert Nachwuchssorgen

Ein Problem im Hinblick auf die Nachwuchssorgen können Sie als amtierender Betriebsrat selbst verantworten. Denn ein Grund dafür, dass manche Gremien über Jahre wiedergewählt werden und am Ende „überaltert“ sind, ist, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Belegschaft auf Ihre Erfahrung setzen.

Das schmeichelt Ihnen natürlich und ist zunächst auch unproblematisch. Denn wenn Sie mit Ihrer Arbeit überzeugen können, gibt es keinen Anlass, ein funktionierendes System auszutauschen. Bei den zukünftigen Betriebsratswahlen könnte die mit der Wiederwahl einhergehende Bequemlichkeit aber dennoch zum Problem werden. Denn ein großer Teil der älteren Betriebsräte geht in den kommenden Jahren in Rente. Gerade jetzt zur Wahl gilt deshalb: Versuchen Sie, junge Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, sich aufstellen zu lassen.

Gehen Sie das Nachfolgemanagement frühzeitig an

Damit Ihr Betrieb nicht eines Tages ohne Betriebsrat dasteht, sollten Sie sich frühzeitig um die Nachfolge bemühen. Gehen Sie es also beherzt an!

Tipp: Jetzt neue Kandidaten anheuern

Nehmen Sie die Betriebsratswahlen im kommenden Jahr zum Anlass, neue Kandidaten für das Gremium zu motivieren. Das gibt Ihnen meist die Chance, das Gremium etwas zu „verjüngen“, und auf jeden Fall die Möglichkeit, frischen Wind in die bisherigen Strukturen zu bringen.

Behalten Sie die Zusammensetzung der Kandidaten im Auge

Ich empfehle Ihnen, sich um einen ausgewogenen Kandidatenkreis zu kümmern. Denn im Betriebsrat sollten sich alle Belegschaftsinteressen widerspiegeln. Für die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ist es deshalb meist nicht empfehlenswert, wenn sich das Gremium nur aus Gewerkschaftsmitgliedern zusammensetzt. Ein weiteres Argument für einen ausgewogenen Kandidatenkreis lesen Sie in § 15 BetrVG. Danach soll sich der Betriebsrat möglichst aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche und verschiedenen Beschäftigungsarten in Ihrem Betrieb zusammensetzen.

! Achtung: Berücksichtigen Sie auch die Geschlechterverteilung

Das bezieht sich auch auf die Geschlechterverteilung. Denn § 15 Abs. 2 BetrVG schreibt sogar vor, wie sich das Verhältnis männlich/weiblich zu verteilen hat. Das Geschlecht, das in Minderheit ist, muss mindestens diesem Verhältnis entsprechend auch im Betriebsrat vertreten sein.

Checkliste: Richtig beteiligt bei der beruflichen Bildung?

  • Liegt eine Maßnahme der Förderung der Berufsbildung vor? Falls ja, haben Sie einen Anspruch auf Feststellung des Berufsbildungsbedarfs (§ 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).
  • Geht es konkret um die – Errichtung und Ausstattung von Berufsbildungseinrichtungen oder – die Einführung von Berufsbildungsmaßnahmen oder – die Entscheidung über die Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen? Falls ja, ist eine Beratung mit Ihnen nach § 97 Abs. 1 BetrVG für Ihren Arbeitgeber zwingend.
  • Ihr Beratungsrecht umfasst in diesem Fall unter anderem: die Art der Maßnahme, die Anzahl der teilnehmenden Mitarbeiter, die Auswahl der teilnehmenden Mitarbeiter, den Zeitpunkt der Teilnahme und deren Dauer.
  • Werden Berufsbildungsmaßnahmen im Betrieb durchgeführt? Falls ja, haben Sie ein echtes Mitbestimmungsrecht aus § 98 Abs. 1, 3 und 4 BetrVG. Sie können die Maßnahme im Zweifel sogar verhindern.

Stellen Sie fest, dass Ihr Arbeitgeber Ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Aus- und Weiterbildung nicht ausreichend beachtet hat, sprechen Sie ihn darauf an und pochen Sie auf Ihre Rechte.

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