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Diese 5 Voraussetzungen müssen Sie als Betriebsrat kennen

30. April 2021

Lesezeit 4 Minuten

Die Verdachtskündigung ist eine spezielle Form der verhaltensbedingten Kündigung. Das Besondere daran ist, dass der Betroffene lediglich verdächtigt wird, Unrecht begangen zu haben – und zwar angefangen von einer Verfehlung bis hin zu einer Straftat. Einen Nachweis, dass der Arbeitnehmer sich tatsächlich falsch verhalten hat, gibt es nicht. Wie Sie als Betriebsrat einen unberechtigt verdächtigten Kollegen unterstützen können, lesen Sie im Folgenden.

§ 4 KSchG

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, muss er innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung reagieren: Er muss Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.

In diesen Fällen handelt es sich um eine Verdachtskündigung

Um eine Verdachtskündigung handelt es sich, wenn der Verdacht besteht, dass ein Kollege im Betrieb eine Straftat begangen bzw. ein unerlaubtes Verhalten an den Tag gelegt hat. Meist geht es dabei um einen Diebstahl. Allerdings kann auch eine angeblich falsche Spesenabrechnung zu einer Verdachtskündigung führen.

Anders als bei einer regulären verhaltensbedingten Kündigung besteht hier nur der Verdacht. Es gibt Indizien. Es liegt jedoch kein Nachweis dafür vor, dass die indizierte Verfehlung tatsächlich begangen wurde.

Welche besonderen Voraussetzungen erfüllt sein müssen

Da der Arbeitgeber die Tat nicht nachweisen kann, müssen spezielle Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Kündigung wirksam ist. So wird das Risiko gemindert, dass ein Unschuldiger verdächtigt wird und seinen Arbeitsplatz verliert.

Tipp: Sie sind anzuhören



Als Betriebsrat sind Sie auch bei jeder Verdachtskündigung anzuhören. Prüfen Sie im Rahmen Ihrer Anhörung unbedingt, ob die im Folgenden erläuterten besonderen Voraussetzungen vorliegen, und machen Sie die Zustimmung zur Kündigung davon abhängig.

1. Voraussetzung: Konkreter Tatverdacht

Ihr Arbeitgeber darf eine Verdachtskündigung nur aussprechen, wenn er einen ganz konkreten Tatverdacht hat. Das heißt: Der Verdacht muss durch bestimmte Tatsachen begründet sein. Das ist z. B. der Fall, wenn die Werkzeuge immer nur bei einem bestimmten anwesenden Arbeitnehmer verschwinden.

Kritische Prüfung aller Indizien ist wichtig

Prüfen Sie alle Indizien kritisch. Besteht danach die große Wahrscheinlichkeit, dass gerade ein bestimmter Arbeitnehmer die Tat begangenen hat, werden Sie es schwer haben, Ihren Arbeitgeber von einer Verdachtskündigung abzubringen. Stellen Sie sich dabei am besten folgende Kontrollfrage, anhand derer das Bundesarbeitsgericht den dringenden Tatverdacht bei Verdachtskündigungen prüft: Wird ein Dritter, dem ich alle Tatsachen und Indizien vortrage, den Verdacht als gerechtfertigt ansehen oder nicht?

2. Voraussetzung: Bezug zum Arbeitsplatz

Eine Verdachtskündigung ist nur möglich, wenn zwischen der geschuldeten Arbeitsleistung und dem Verdacht ein konkreter Zusammenhang besteht. Typische Anlässe sind die Vermutung von Spesenbetrug, der Manipulation bei der Zeiterfassung, des Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit oder von Vermögensdelikten (etwa eines Diebstahls) im Betrieb.

3. Voraussetzung: Anhörung vor der Kündigung

Bevor Ihr Arbeitgeber eine Verdachtskündigung ausspricht, muss er alle möglichen Aufklärungsmaßnahmen ergreifen. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Kollege zu Unrecht verdächtigt wird. So ist die Anhörung des Verdächtigten vor Ausspruch der Kündigung grundsätzlich Voraussetzung einer wirksamen Verdachtskündigung. Dabei muss Ihr Arbeitgeber die Verdachtsgründe gegenüber dem Arbeitnehmer konkret benennen.

Tipp: Prüfen Sie, ob der Beschuldigte Stellung nehmen konnte



Prüfen Sie im Rahmen Ihrer Anhörung durch ein Gespräch mit dem Verdächtigten, ob Ihr Arbeitgeber ihn zu dem Vorwurf angehört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Ist das nicht der Fall, sollten Sie zumindest Bedenken gegen die Kündigung erheben.

4. Voraussetzung: Arbeitgeber muss alles tun, um Sachverhalt aufzuklären

Die Anhörung des Betroffenen ist allerdings nicht die einzige Aufklärungsmaßnahme, die Ihr Arbeitgeber ergreifen muss. Er muss vielmehr alles tun, was zur Sachverhaltsaufklärung beiträgt. Das heißt, er muss unter Umständen andere Beschäftigte oder auch Kunden zu dem Vorfall befragen. Zudem muss er den Sachverhalt, soweit es geht, selbst nachforschen.

Gehen Sie als Betriebsrat auch dieser Sache nach. Stellen Sie durch Befragung Ihres Arbeitgebers fest, ob er alles ihm Zumutbare getan hat, um den Sachverhalt so weit wie möglich aufzuklären.

5. Voraussetzung: Verdachtskündigung kommt nur als letzte Maßnahme in Betracht

Zur Verdachtskündigung darf Ihr Arbeitgeber grundsätzlich nur greifen, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht. Es darf also keine mildere Möglichkeit mehr geben.

§ 102 Abs. 1 BetrVG

Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Wie sich ein gekündigter Kollege gegen etwaige Vorwürfe wehren kann

Kündigt Ihr Arbeitgeber einem Ihrer Kollegen mittels einer Verdachtskündigung, kann Ihr Kollege innerhalb von 3 Wochen ein Kündigungsschutzverfahren einleiten (§ 13 in Verbindung mit § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)). Das bietet sich häufig auch an.

Denn gerade bei einer Verdachtskündigung prüfen die Gerichte sehr genau, ob ein vorgetragenes Fehlverhalten aller Wahrscheinlichkeit nach vorliegt.

Checkliste: Verdachtskündigung

  • Ihr Arbeitgeber verdächtigt einen Ihrer Kollegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bzw. Straftat.
  • Für seinen Verdacht bringt er einen objektiven, dringenden Tatverdacht vor.
  • Zwischen der Verdachtstat und der geschuldeten Arbeitsleistung besteht ein Zusammenhang.
  • Ihr Arbeitgeber hat dem betroffenen Kollegen innerhalb einer Woche nach dem angeblichen Ereignis Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
  • Die Stellungnahme wurde schriftlich dokumentiert.
  • Ihr Arbeitgeber hat im Rahmen seiner Nachforschungspflicht alles weitere Erforderliche und Zumutbare getan, um dem Verdacht auf den Grund zu gehen.
  • Ihr Arbeitgeber hat seine Vorgehensweise dokumentiert.
  • Der dringende Verdacht hat sich aufgrund seiner Nachforschungen und anhand objektiver Indizien bestätigt.
  • Mildere Maßnahmen (als eine Kündigung) scheiden aus.
  • Ihr Arbeitgeber hat einen eventuell vorliegenden besonderen Kündigungsschutz berücksichtigt.
  • Im Fall einer fristlosen Kündigung hält Ihr Arbeitgeber die 2-Wochen-Frist ein.

Können Sie alle Fragen mit „Ja“ beantworten, können Sie davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung gegeben sind.

Downloads zum Thema

§ 102 Abs. 3 BetrVG

Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1. der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,

2. die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt, (…)

Wer was beweisen muss

In einem Gerichtsverfahren muss Ihr Arbeitgeber die einzelnen Gründe darlegen, die seiner Meinung nach zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen. Er muss entsprechende Beweise bringen (Zeugen, Unterlagen). Außerdem muss er begründen, warum ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Bei einer fristlosen Kündigung – wie sie bei einer Verdachtskündigung häufig vorliegt – muss der Arbeitgeber auch darlegen, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten ist.

Ein gekündigter Kollege muss sich zu den Argumenten Ihres Arbeitgebers äußern und Rechtfertigungsgründe vortragen.

Welche Rolle Sie als Betriebsrat spielen

Wie bei jeder anderen Kündigung auch muss Ihr Arbeitgeber Sie vor einer Verdachtskündigung anhören (§ 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Er muss Sie dabei vor allem über die ihm bekannten Verdachtsmomente, seine Ermittlungsergebnisse, das Ergebnis seiner weiteren Nachforschungen, die Ihren betroffenen Kollegen entlastenden Fakten sowie das Ergebnis der Anhörung Ihres Kollegen informieren.

Als Betriebsrat können und sollten Sie dann – wie bei jeder anderen Kündigung auch – Stellung beziehen und Ihrem Arbeitgeber die Stellungnahme mitteilen.

Musterschreiben: Zustimmung zur Kündigung

Stellungnahme zur Kündigung von …

Sehr geehrter Herr …,

Sie haben uns als Betriebsrat am … zur ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung von … angehört.

Der Betriebsrat stimmt dieser Kündigung zu.

Ort, Datum, Unterschrift

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Hinweis: Bei fristloser Kündigung muss Stellungnahme innerhalb von 3 Tagen erfolgen

Bei einer fristlosen Kündigung muss das innerhalb von 3 Tagen geschehen. Bei der ordentlichen Kündigung haben Sie hingegen eine Woche Zeit.

Bevor Sie Ihre Stellungnahme verfassen, sollten Sie als Betriebsrat vor allem bei einer Verdachtskündigung den betroffenen Kollegen anhören. Denn gerade wenn die Argumentation Ihres Arbeitgebers nur auf einem Verdacht beruht, haben Sie gute Chancen, dass Sie aufgrund des Gesprächs mit dem Kollegen Gründe anführen können, die diesen entlasten.

Tipp: Empfehlen Sie Kollegen, Stellungnahme in den Prozess einzubringen



Raten Sie Ihrem betroffenen Kollegen auf jeden Fall, Ihre Stellungnahme in den Kündigungsschutzprozess mit einzubringen. Das Arbeitsgericht wird diese immer sehr genau prüfen.

Anhand der Checkliste unten können Sie prüfen, ob die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung vorliegen.

Stellungnahme zur Kündigung: Ihre Reaktionsmöglichkeiten

Spricht Ihr Arbeitgeber eine Kündigung aus, hört er Sie vorher an. Wann Sie wie am besten reagieren, habe ich Ihnen im Folgenden kurz zusammengefasst.

Als Betriebsrat haben Sie im Anhörungsverfahren 3 Reaktionsmöglichkeiten:

  • Sie äußern sich nicht.
  • Sie stimmen der Kündigung zu.
  • Sie widersprechen der Kündigung.

Sobald Ihr Arbeitgeber Sie zu einer Kündigung angehört hat, sollten Sie diese Kündigung im Gremium beraten. Ist eine Kündigung Ihrer Ansicht nach unwirksam, widersprechen Sie der Kündigung.  

Checkliste: Wann Ihr Widerspruch wirksam ist

  • Haben Sie Ihren Widerspruch schriftlich eingelegt?
  • Ist der Widerspruch Ihrem Arbeitgeber innerhalb einer Woche zugegangen?
  • Liegt Ihrem Widerspruch ein ordnungsgemäßer Beschluss zugrunde?
  • Ist Ihr Widerspruch auf einen der in § 102 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 BetrVG genannten Gründe gestützt?
  • Geht Ihr Widerspruch konkret auf die Arbeitgeberkündigung ein und enthält er keine pauschalen Äußerungen?

Achtung: Haben Sie nur einmal „Nein“ angekreuzt, könnte Ihr Widerspruch unwirksam sein.

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