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Unternehmen des Monats: IKEA Betriebsrat Duisburg setzt auf „Fair statt prekär“

10. Mai 2021
ikea smart br Bild von Sitthikorn / Adobe Stock

Bereits seit mehreren Jahren gibt es Unstimmigkeiten zwischen den lokalen Arbeitgebern des schwedischen Möbelhauses IKEA und den deutschen Betriebsräten des Unternehmens. Verträge mit zu niedrigen Stundenkontingenten, geringfügige Beschäftigung oder regelmäßige Diskussionen über tarifkonforme Eingruppierungen zählen im Hinblick auf die Themen zu den Dauerbrennern. Um den Arbeitgeber zu einem Kurswechsel zu bewegen, spannte das Gremium am Standort Duisburg schließlich den Gesamtbetriebsrat für eine deutschlandweite Initiative ein. Das Ziel: deutlich mehr MitarbeiterInnen unbefristet und mit höheren Stundenverträgen einstellen zu können.

IKEA Lokal und deutschlandweit: Vorgehen auf zwei Ebenen

Mehr als 50 Möbelhäuser betreibt die IKEA Deutschland GmbH & Co. KG bundesweit. Zu diesen zählt auch die Niederlassung in Duisburg, ein tarifgebundenes Unternehmen, welches rund 350 MitarbeiterInnen beschäftigt. Aufgrund der Gesellschaftsform der schwedischen Möbelkette mit vor Ort selbstständigen Geschäftsführungen und bundesweit unterschiedlichen tariflichen Zuordnungen müssen Themen wie die Eingruppierung von jeder Niederlassung individuell verhandelt werden. Aus diesem Grund initiierte der Betriebsrat der Filiale aus Duisburg ein Vorgehen auf zwei Ebenen: einerseits auf Ebene der lokalen Betriebsräte, andererseits auf der Gesamtbetriebsratsebene.

Mithilfe des Gesamtbetriebsrates initiierte die IKEA-Niederlassung aus dem Ruhrgebiet die deutschlandweite Kommunikation zwischen den Arbeitnehmervertretungen des Möbelhauses, um den bekannten Arbeitgeber zu einem Umschwung zu bewegen. Zu diesem Zweck entwickelten die Gremien ein betriebsübergreifendes Verhandlungspapier, in welchem die Ziele der Betriebsräte festgehalten wurden.

Senkung der Befristungsquote und höhere Stundenkontingente für Kurzzeitbeschäftigte

Auf der Gesamtbetriebsratsebene zählten unter anderem eine deutliche Erhöhung der Stundenkontingente für Angestellte in Kurzzeit sowie eine Senkung der Befristungsquote zu den zentralen Forderungen. Letztere bewegte sich zum Verhandlungszeitpunkt zwischen 30 und 40 Prozent.

Neben einer Anhebung der Vertragsstunden für Teilzeitkräfte formulierte das Gremium in Duisburg als Ziele weiterhin die tarifkonforme und gerechte Eingruppierung für MitarbeiterInnen im Bereich der Logistik sowie eine Senkung der Befristungsquote in zwei Schritten – zunächst auf 15 und schließlich auf maximal 10 Prozent. Auch ein bereichsübergreifendes Arbeiten sollte den Angestellten ermöglicht werden.

Erfolgreiches Zwischenergebnis

Dank der Bemühungen des Gesamtbetriebsrates sowie der konkreten Einzelverhandlungen des Gremiums aus Duisburg mit der örtlichen Geschäftsleitung konnten zahlreiche Forderungen schließlich erfüllt und wichtige Verbesserungen erzielt werden: so wurde eine deutliche Erhöhung der Vertragsstunden für Teilzeitmitarbeiter erreicht und die Befristungsquote auf maximal 10 Prozent reduziert.

Des Weiteren einigten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung darauf, die Schaffung von Vollzeitstellen zukünftig nicht mehr ausschließlich auf Führungskräfte zu beschränken und Kettenbefristungen abzuschaffen. Andrea Mrowka, die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende in Duisburg, äußerte sich zu diesem vorläufigen Triumph wie folgt: »Wir waren mit diesen Ergebnissen schon sehr zufrieden«, so Mrowka, »doch für einen zentralen Punkt, die seit Langem immer wieder geforderte tarifkonforme Eingruppierung unserer Kollegen in der Logistik, war bei der Geschäftsführung vor Ort leider immer noch kein Entgegenkommen zu erreichen.«.

Ein zentrales Argument für die höhere Eingruppierung der Angestellten war vor allem die schwere körperliche Arbeit, die MitarbeiterInnen in der Logistik zu bewältigen haben. Aufgrund der mangelnden Einsicht des Arbeitgebers berief sich das Gremium daher konsequent auf seine rechtlichen Optionen; so verweigerte der Betriebsrat beispielsweise seine Zustimmung bei Neueinstellungen aufgrund der falschen Eingruppierung.

Der Kampf um eine tarifkonforme Eingruppierung bei IKEA

Da jedoch auch diese Maßnahme zunächst erfolglos blieb, folgte bald darauf der Gang zum Arbeitsgericht in Duisburg. Hier beantragten die Arbeitnehmervertreter, dem Arbeitgeber IKEA aufzugeben, sich die Zustimmung der Betriebsräte entweder ersetzen zu lassen oder die Mitbestimmung zu wahren. Die Richter gaben dem Gremium Recht; es folgte eine Bußgelddrohung an den Arbeitgeber. Dieser zeigte sich jedoch weiterhin uneinsichtig und stimmte lediglich zu, MitarbeiterInnen für „besondere Leistungen“ höher einzugruppieren. Lediglich sechs der 18 Betroffenen hätten mit dieser Regelung eine höhere Eingruppierung erhalten.

»Für uns gab es hier keinen Verhandlungsspielraum, daher lehnten wir diesen Vorschlag klar ab und verweigerten weiterhin jegliche Eingruppierungen für Neueinstellungen in der Logistik« äußerte sich die Betriebsratsvorsitzende Mowkra zum Angebot des Arbeitgebers. Es folgte die Eröffnung von Zustimmungsersetzungsverfahren für jeden einzelnen Mitarbeiter sowie ein weiterer Termin vor dem Amtsgericht Duisburg. Wieder wurde zugunsten der Betriebsräte entschieden und beschlossen, dass eine höhere Eingruppierung zu gewähren sein.

Doch damit war der Kampf um gerechte Eingruppierung noch nicht vorbei – der Arbeitgeber IKEA legte im Anschluss an das Urteil Beschwerde ein; der Disput landete vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf.

Entscheidung zugunsten der Betriebsräte und Mitarbeiter

Ausschlaggebend für den Ausgang des folgenden Prozesses war besonders eine umfangreiche Fotodokumentation des täglichen Arbeitseinsatzes der MitarbeiterInnen im Bereich Logistik. Die Richter bewerteten die damit einhergehende körperliche Belastung als generell höher einzugruppierende Arbeitsleistung und lehnten die Beschwerde des Arbeitgebers vollständig ab.

Der Kampf um eine tarifkonforme Eingruppierung nahm so schließlich ein Ende, das sich sehen lassen kann: Alle 18 MitarbeiterInnen wurden höher eingruppiert und erhielten ab Entscheidungsverkündung des Landgerichts Duisburg den Differenzbetrag zwischen falscher und konformer Eingruppierung für 18 Monate rückwirkend erstattet. Auch für zehn weitere IKEA-Filialen im Tarifbereich Nordrhein-Westfalen hatten die unermüdlichen Bemühungen des Duisburger Betriebsrat positive Folgen; diese zogen mit ihrem Eingruppierungsverfahren erfolgreich nach.

Für seinen beispielhaften Einsatz wurde der IKEA-Betriebsrat aus dem Ruhrgebiet unter anderem mit dem Publikumspreis des Deutschen Betriebsrätetags „Prekäre Beschäftigung nicht mit uns“ sowie einem Sonderpreis in der Kategorie „Fait statt prekär“ der Deutschen Betriebsrätepreise 2019 gewürdigt.

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