Scheinausbildung: Azubis, die eigentlich Mitarbeiter sind, bekommen den vollen Lohn

29. September 2021

Lesezeit 2 Minuten

Bildet Ihr Arbeitgeber aus? Gibt es Auszubildende? Gut! Durch die Ausbildung wirkt Ihr Arbeitgeber dem durch den demografischen Wandel eintretenden Fachkräftemangel mit eigenen Mitteln entgegen. Wichtig ist allerdings, dass er Ihre jungen Kolleginnen und Kollegen auch tatsächlich ausbildet. Tut er das nicht und beschäftigt er sie als ungelernte Arbeitnehmer, muss er sie entsprechend bezahlen. Das lässt sich einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Bonn entnehmen (8.7.0221, Az. 1 Ca 308/21).

Arbeitgeber stellt Auszubildenden ein

Der Fall: Der Arbeitgeber stellte einen Auszubildenden ein und schloss mit ihm einen Berufsausbildungsvertrag zum Gebäudereiniger (§ 10 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz). Nach dem Vertrag stand dem Azubi eine Ausbildungsvergütung von monatlich 775 € zu.

Der Arbeitgeber meldete allerdings weder das Ausbildungsverhältnis bei der Gebäudereiniger-Innung an, noch unterrichtete er die Berufsschule über das Ausbildungsverhältnis. Der Auszubildende arbeitete daraufhin im Betrieb wie ein ungelernter Arbeitnehmer. Das missfiel ihm. Er forderte seine Ausbildung ein. Als er diese nicht bekam, wehrte er sich vor Gericht – mit Erfolg.

Arbeitgeber muss rückwirkend zahlen

Die Entscheidung: Das ArbG Bonn gab dem Auszubildenden Recht. Es entschied, dass er einen Anspruch auf Ausbildung habe. Da der Arbeitgeber ihn aber nicht ausgebildet habe, stehe ihm nun der tarifliche Mindeststundenlohn für ungelernte Gebäudereiniger zu. Und zwar rückwirkend. Das begründete das Gericht damit, dass der Arbeitgeber aufgrund des geschlossenen Vertrags zur Ausbildung verpflichtet gewesen wäre. Da er das nicht getan habe, müsse er den vollen Lohn zahlen.

Ihr Arbeitgeber hat Ausbildungspflicht

Entscheidet Ihr Arbeitgeber sich für die Einstellung von Auszubildenden, muss er das Ausbildungsprogramm auch tatsächlich umsetzen. Denn aus dem Berufsausbildungsvertrag ergeben sich umfassende Pflichten für Ihren Arbeitgeber. Diese sind genau geregelt. Diese Pflichten sollte er auf jeden Fall einhalten.

Ausbildungspflicht bringt Arbeitgeber Vorteile

Aber ganz unabhängig von seinen Verpflichtungen sollte Ihr Arbeitgeber auch ein Interesse daran haben, dafür zu sorgen, dass seine Auszubildenden mit ihrer Ausbildung zufrieden sind. Denn zufriedene Auszubildende sind unter Umständen zukünftige zufriedene Mitarbeiter. Zudem poliert Ihr Arbeitgeber mit zufriedenen Mitarbeitern, jungen und älteren, ganz nebenbei sein Image auf und macht Werbung für sein Unternehmen.

Als Betriebsrat müssen Sie sich um jugendliche Arbeitnehmer und Auszubildende kümmern

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat die Wahrung und Förderung der Interessen und Belange der Jugendlichen und der Auszubildenden zu einer besonderen Aufgabe von Ihnen gemacht (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Zudem haben Sie im Bereich der beruflichen Ausbildung umfangreiche Beteiligungsrechte. Der Begriff Berufsbildung in den §§ 96 ff. BetrVG ist weit gefasst. Darunter fällt sowohl die Aus- als auch die Weiterbildung. Ausbildung in diesem Sinne meint die Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse und Berufserfahrungen durch Ihren Arbeitgeber bzw. den bestellten Ausbilder.

Sie haben ein Beratungsrecht

Bei allen Angelegenheiten, die Ihre und die Berufsbildung Ihrer Kolleginnen und Kollegen betreffen, haben Sie ein Beratungsrecht (§ 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Ihr Arbeitgeber muss diesbezüglich geplante Maßnahmen mit Ihnen beraten.

Setzen Sie sich für eine faire Vergütung ein

Sorgen Sie als Betriebsrat dafür, dass Ihre jungen Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung korrekt entlohnt werden. Diese Entscheidung zeigt Ihnen, dass Azubis anderenfalls die entsprechende Vergütung rückwirkend einklagen können. Gilt bei Ihnen kein Tarifvertrag, erhalten sie auf jeden Fall die gesetzliche Mindestausbildungsvergütung. Diese gibt es seit dem 1.1.2020 und steigt jedes Jahr. Danach müssen für neue Ausbildungsverträge, die außerhalb der Tarifbindung liegen, seit dem 1.1.2021 im ersten Ausbildungsjahr monatlich 550 € gezahlt werden. 2022 sind es im ersten Ausbildungsjahr 585 € monatlich und 2023 sollen es 620 € werden.

§ 96 Abs. 1 Satz 2, 3 BetrVG

Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebs zu beraten. Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen.

Fazit: Scheinazubi muss wie ungelernte Kraft entlohnt werden

Einen Auszubildenden, den Ihr Arbeitgeber wie einen ungelernten Mitarbeiter einsetzt, aber nicht ausbildet, muss er wie einen ungelernten Arbeitnehmer bezahlen. Weisen Sie ihn ggf. darauf hin!

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