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3G am Arbeitsplatz haben wir seit einiger Zeit hinter uns gelassen … Na ja, nicht so ganz, wenn man die folgende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) liest (2.6.2022, Az. 28/22). Denn einige Arbeitgeber halten die Testpflicht am Arbeitsplatz immer noch für notwendig und ordnen deshalb auch weiterhin Tests an. Das dürfen sie nach der oben genannten Entscheidung auch – jedenfalls dann, wenn das Hygienekonzept es hergibt.
§ 618 Abs. 1 BGB
Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten, und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für das Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Arbeitnehmer müssen sich testen
Der Fall: Die Arbeitnehmerin, eine Flötistin an der Bayerischen Staatsoper, war zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 8.300 € beschäftigt. Ihr Arbeitgeber hatte zu Beginn der Spielzeit 2020/2021 eine umfangreiche Teststrategie zur Eindämmung des Coronavirus entwickelt und auch bauliche und organisatorische Maßnahmen ergriffen, z. B. den Umbau des Bühnenbereichs und die Neuregelung von Zu und Abgängen. Er teilte die Arbeitnehmer in Risikogruppen ein. Je nach Gruppe erhielten sie die Verpflichtung, PCRTests in unterschiedlichen Zeitabständen durchzuführen.
Flötistin fühlt sich in Persönlichkeitsrecht verletzt
Die Flötistin aus dem Fall sollte zu Beginn der Spielzeit ihrem Arbeitgeber einen negativen PCRTest vorlegen und in der Folge weitere im Abstand von 1 bis 2 Wochen. Hierfür stellte der Arbeitgeber kostenlose Tests bereit. Allerdings durften sich die Arbeitnehmer auch extern testen lassen.
Die Flötistin haderte mit der Testpflicht und weigerte sich. Deshalb teilte der Arbeitgeber ihr mit, dass sie ohne Testung nicht spielen könnte. Sie fühlte sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und verweigerte weiterhin die Testung. Das führte dazu, dass Sie in der Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 nicht spielen konnte.
Arbeitgeber stellt Gehaltszahlungen ein
Während dieser Zeit stellte der Arbeitgeber ihre Gehaltszahlungen ein. Ab Ende Oktober 2020 legte sie dann Testergebnisse vor. Die Arbeitnehmerin klagte daraufhin auf Zahlung des Gehalts von August bis Oktober 2020 sowie auf Zulassung zur Bühne ohne Testungen.
Arbeitnehmerin bekommt das Gehalt nicht nachgezahlt
Die Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen. Das begründete das BAG wie folgt: Der Arbeitgeber sei nach § 618 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, die Arbeitsleistung so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leib, Leben sowie Gesundheit so weit geschützt seien, wie es am konkreten Arbeitsplatz möglich sei. Um diese Fürsorgepflicht zu erfüllen, könne er nach § 106 Satz 2 Gewerbeordnung (GewO) Weisungen rund um Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Hiervon ausgehend war die Anweisung, PCRTests nach dem betrieblichen Hygienekonzept durchzuführen, rechtmäßig, vor allem weil der Arbeitgeber auch bauliche Maßnahmen ergriffen hatte.
Wenn Ihr Arbeitgeber die Hygienemaßnahmen verschärfen möchte
Kommt Ihr Arbeitgeber mit der Idee auf Sie zu, das Hygienekonzept verschärfen zu wollen, will er z. B. auch einseitig Tests anordnen, darf er das, wenn sein Hygienekonzept ergibt, dass die Tests notwendig sind. Zudem muss Ihr Arbeitgeber vor der Anordnung der Tests alle notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um den Schutz von Ihnen sowie Ihren Kolleginnen und Kollegen sicherzustellen.
Arbeitgeber muss erst mildere Mittel prüfen
Das heißt aber letztlich auch: Die einseitige Anordnung von Tests ist zurzeit nur eingeschränkt möglich. Denn können Kolleginnen und Kollegen sich z. B. genauso gut durch eine Maske schützen, wenn sie körpernahe Dienstleistungen erbringen, kann Ihr Arbeitgeber das Testen nicht einseitig anordnen. Schließlich ist das Tragen einer Maske dann das mildere Mittel.
Tipp: Setzen Sie als Betriebsrat sich dafür ein, dass Ihr Arbeitgeber Augenmaß hält
Es ist sicherlich sinnvoll, grundsätzlich hohe arbeitsschutzrechtliche Standards zu haben und die Maßnahmen immer wieder an die aktuelle Situation anzupassen. Dass das in Einzelfällen dazu führen kann, dass ein Arbeitgeber höhere als die gesetzlich vorgegebenen Infektionsschutzmaßnahmen hat, ist klar. Als Betriebsrat sollten Sie es jedoch als Ihre Aufgabe sehen, Ihren Arbeitgeber dazu zu bewegen, eine für alle Seiten vernünftige Lösung zu suchen. Empfehlen Sie ihm, Ihre Kolleginnen und Kollegen mit ins Boot zu holen. Er sollte Ihnen gegenüber seine Ziele offen kommunizieren. Nur wenn er transparent agiert, ist er glaubwürdig.
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