Ihr Arbeitgeber darf den Urlaubsanspruch nicht kürzen, wenn Sie über den Jahreswechsel arbeitsunfähig krank sind

30. Oktober 2020

Lesezeit: 2 Minuten

Muss ein Kollege sich über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig krankmelden, sammelt er während dieser Zeit seinen Urlaub weiter an. Kehrt er in den Betrieb zurück, kann er sich – abhängig davon, wie lange die Arbeitsunfähigkeit insgesamt gedauert hat – theoretisch erst mal (auf Antrag) eine oder sogar mehrere Wochen in den Urlaub verabschieden. Das gilt zumindest für den gesetzlich festgeschriebenen Erholungsurlaub.

Denn etwaigen vertraglich gewährten Mehrurlaub dürfte Ihr Arbeitgeber kürzen, wenn er das zuvor mit dem Kollegen vertraglich vereinbart hat. Allerdings muss er auch bei einer Kürzung die entsprechenden Vorgaben richtig anwenden. Sonst ist sie wirkungslos. Das lässt sich einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg entnehmen (7.8.2020, Az. 12 Sa 22/20).

§ 3 BUrlG

(1) Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage.
(2) Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind.

Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin richtet sich nach Tarifvertrag

Der Fall: Eine Arbeitnehmerin war bereits seit dem Jahr 2001 bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt. Ihr Urlaubsanspruch richtete sich nach dem einschlägigen Tarifvertrag. Dort heißt es unter anderem:

„Der Urlaub beträgt für alle Arbeitnehmer/-innen, für Auszubildende und Jugendliche 30 Arbeitstage. Wenn Krankheitszeiten oder wenn Badekuren oder Heilver-fahren […] länger als 6 Monate dauern, kann vom Jahresurlaub für jeden weiteren vollen Monat der Arbeitsunfähigkeit 1/12 in Abzug gebracht werden. Die so errechnete Urlaubsdauer ist auf volle Tage aufzurunden.“

Die Arbeitnehmerin war vom 26.8.2019 bis zum 30.4.2020 ohne Unterbrechung arbeitsunfähig krank-geschrieben. Unter Berufung auf die Regelung im Tarifvertrag teilte die Arbeitgeberin ihr mit, sie werde den Jahresurlaub 2019 wegen der anwendbaren tariflichen Regelung um 5 Urlaubstage kürzen. Das wollte die Arbeitnehmerin nicht hinnehmen. Sie zog deshalb vor Gericht. Dort forderte sie den vollen Erholungsurlaub.

Arbeitnehmerin hat Anspruch auf vollen Urlaub

Die Entscheidung: Das Gericht entschied zugunsten der Arbeitnehmerin. Die Richter urteilten, dass sie Anspruch auf den gesamten tariflichen Mehrurlaub im Jahr 2019 habe. Die Arbeitgeberin konnte den Urlaubsanspruch der Beschäftigten nicht wirksam kürzen.

Das begründeten sie mit einer falschen Berechnungs-grundlage. Zwar sei die Arbeitnehmerin mehr als 6 Monate ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Allerdings habe sich der Zeitraum über 2 unterschiedliche Kalenderjahre erstreckt. Diese seien jeweils getrennt zu betrachten. Das führe dazu, dass sich die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin im Jahr 2019 nur über 4 Monate erstreckt habe. Die in der tariflichen Regelung genannten Voraussetzungen seien deshalb nicht erfüllt.

Arbeitgeber darf Fehlzeiten nicht Jahresübergreifend zusammenrechnen

Hier hatte die Arbeitnehmerin Glück, dass sich ihre Arbeitsunfähigkeit über 2 Kalenderjahre erstreckte und sie in keinem der beiden Jahre länger als 6 Monate arbeitsunfähig erkrankt war. Denn die Arbeitgeberin durfte diese Arbeitsunfähigkeitszeiträume nicht jahres-übergreifend zusammenrechnen.

Grundsätzlich hat Ihr Arbeitgeber allerdings die Möglichkeit, per Arbeits- oder Tarifvertrag eine anteilige Kürzung für krankheitsbedingte Fehlzeiten von vertraglich vorgesehenem Mehrurlaub vorzusehen. Die Grenze bildet der gesetzliche Mindesturlaub nach Bundes-urlaubsgesetz (BUrlG). Danach müssen Ihnen und Ihren Kollegen bei einer 5-Tage-Woche mindestens 20 Arbeitstage pro Jahr zur Verfügung stehen.

Tipp: Kürzungsklausel in Betriebsvereinbarung vermeiden
Als Betriebsrat haben Sie beim Thema Urlaub ein Mitbestimmungsrecht. Das nutzen viele gern, um mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung zur Urlaubsplanung zu schließen. Will sich Ihr Arbeitgeber darüber hinaus auf eine Vereinbarung zum Umgang mit Mehrurlaub und längeren Arbeitsunfähigkeiten einigen, sollten Sie vorsichtig sein. Am besten lassen Sie sich auf eine entsprechende Kürzungs-klausel gar nicht ein. Wenn es – wie es in der Praxis immer wieder vorkommt – nicht zu verhindern ist, setzen Sie sich dafür ein, möglichst gute Konditionen für Ihre Kolleginnen und Kollegen zu schaffen.

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