Arbeitnehmer in Elternzeit können sich vollständig von der Arbeit freistellen lassen oder in Teilzeit weiterarbeiten. In jedem Fall haben sie nach Ende der Elternzeit grundsätzlich das Recht, an ihren bzw. einen vergleichbaren Arbeitsplatz zurückzukehren. Das klappt allerdings nicht immer. Wer seinen Arbeitsplatz während dieser Zeit im Zuge einer Massenentlassung verliert, hat häufig Anspruch auf Entschädigung. Wie diese zu berechnen ist, lässt sich der folgenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entnehmet.
Arbeitnehmerin nahm Elternzeit in Anspruch
Der Fall: Eine französische Arbeitnehmerin, die zunächst auf Basis eines befristeten Arbeitsvertrags eingestellt wurde, schloss mit ihrem Arbeitgeber im Anschluss einen unbefristeten Arbeitsvertrag ab. Während der Zeit der unbefristeten Beschäftigung ging sie zunächst in Mutterschutz und anschließend 2 Jahre in Elternzeit. Danach nahm sie einen 2. Mutterschutz in Anspruch, an den sie erneut: eine Elternzeit anschloss.
Während der 2. Elternzeit war sie in Teilzeit für ihren Arbeitgeber tätig. Die 2. Elternzeit war bis zum 29.1.2011 geplant. Allerdings kam es nicht zur regulären Beendigung, da der Arbeitnehmerin Anfang Dezember 2010 im Rahmen einer Massenentlassung betriebsbedingt gekündigt wurde.
Im Zusammenhang mit der betriebsbedingten Kündigung hatte sich die Arbeitnehmerin mit einem 9-monatigen Wiedereingliederungsurlaub einverstanden erklärt. Dieser kam jedoch nicht zum Tragen, da die Beschäftigte mit Wirkung zum 1.1.2011 auf die Reduzierung ihrer Arbeitszeit verzichtete. Am 7.9.2011 verließ sie den Betrieb endgültig. Da sie die Kündigung während der Elternzeit bekommen hatte, erhielt sie eine Entschädigung. Mit den Modalitäten der Berechnung war sie jedoch nicht einverstanden. Deshalb zog sie vor Gericht.
Französischer Kassationsgerichtshof wendet sich an EuGH
Der französische Kassationsgerichtshof war sich nicht sicher, ob die Rahmenvereinbarungen über den Elternurlaub den Vorschriften der EU entgegenstehen. Er legte dem EuGH deshalb die Frage vor, ob die Berechnung der Entschädigungszulage in Ordnung sei. Und zwar vor dem Hintergrund, dass diese zumindest teilweise auf der Grundlage des verringerten Entgelts berechnet worden sei.
Außerdem fragte das Gericht, ob – soweit sich eine deutlich höhere Zahl von Frauen als von Männern dafür entscheide, befristete Teilzeitarbeit während der Elternzeit zu leisten -, die sich daraus ergebende mittelbare Diskriminierung beim Bezug einer verringerten Entlassungsentschädigung und Zuwendung für einen Wiedereingliederungsurlaub nicht gegen Art. 157 Vertrag über die Arbeitsweise der EU verstoße, der den Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit betreffe.
Arbeitgeber muss die Entlassungsentschädigung auf Grundlage des Vollzeitgehalts berechnen
Die Entscheidung: Der EuGH urteilte, dass die Berechnung der einem Arbeitnehmer in Elternzeit zu zahlenden Entschädigung für eine Entlassung oder Wiedereingliederung auf Basis des Vollzeitentgelts erfolgen müsse (8.5.2019, Az. C-486/18). Die Richter stellten klar, dass die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub einer nationalen Bestimmung entgegenstehe, die dazu führe, dass bei Arbeitnehmern, die während der Elternzeit auf Teilzeitbasis weiter für den Betrieb tätig seien, im Fall einer Kündigung das geringere Entgelt Berücksichtigung finde. Sie stehe damit dem eigentlichen Ziel, nämlich Männern und Frauen zu ermöglichen, ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen gleichermaßen nachzukommen, entgegen. Das könnte Arbeitnehmer davon abschrecken, Teilzeitarbeit während der Elternzeit zu leisten.
Die Richter entschieden zudem, dass die Rahmenvereinbarung auch nicht mit dem Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für Männer und Frauen vereinbar sei. Es liege eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor. Denn die Rahmenvereinbarung betreffe in der Praxis wesentlich mehr Frauen als Männer. Die Tatsache, dass die Regelung geschlechtsneutral formuliert sei, sei insoweit unerheblich.
Ihre Aufgabe als Betriebsrat
Elternzeit heißt, dass Arbeitnehmer, die Eltern geworden sind, für insgesamt 3 Jahre vollständig von der Arbeit freigestellt werden oder während dieser Zeit in Teilzeit mit mindestens 15 Wochenstunden arbeiten können. Die Vereinbarung mit dem Arbeitgeber treffen die Eltern ohne Sie als Betriebsrat. Dennoch haben Sie im Zusammenhang mit der Elternzeit Beteiligungsrechte. Es ist nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz Ihre Aufgabe, darüber zu wachen, dass die Gesetze zugunsten der Arbeitnehmer eingehalten werden.
Hierzu zählt auch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) als Anspruchsgrundlage für die Elternzeit. Machen Ihre Kolleginnen und Kollegen ihren Anspruch auf Elternzeit geltend, müssen Sie darauf achten, dass Ihr Arbeitgeber ihre Anträge richtig handhabt.
Kündigung während der Elternzeit
Als Arbeitnehmer genießen Sie wie alle Ihre Kolleginnen und Kollegen Sonderkündigungsschutz während der Elternzeit (§ 18 BEEG). Ihr Arbeitgeber darf Ihnen deshalb ab dem Moment, in dem die Elternzeit verlangt wird, sowie während der Elternzeit nicht kündigen. Eine Kündigung ist nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig. Sie kommt lediglich in den Fällen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG infrage. Ein solcher Ausnahmefall kann z. B. gegeben sein, wenn es betriebs- bedingt keine andere Lösung gibt und sämtliche in § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Checkliste: Teilzeittätigkeit während der Elternzeit
- In Ihrem gesamten Unternehmen sind in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer inklusive Teilzeitkräften beschäftigt
- Die Kollegin ist bereits seit 6 Monaten ohne Unterbrechung im Betrieb beschäftigt.
- Die Verringerung der Arbeitszeit ist für mindestens 2 Monate geplant
- Dem Teilzeitanspruch stehen keine dringenden betrieblichen Gründe entgegen.
- Der Antrag wurde mindestens 7 Wochen bzw. teilweise 13 Wochen vor dem geplanten Termin schriftlich gestellt.
- Der Antrag enthält eine Aussage zu Beginn und Umfang der Teilzeitarbeit
Können Sie bei allen Punkten das Ja ankreuzen, hat die Kollegin bzw. der Kollege einen Anspruch auf Teilzeittätigkeit während der Elternzeit.
© 08/2019 VNR AG

Sie erhalten innerhalb von 24 Stunden Ihre Antwort!