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Am 19.2.2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Ihr Arbeitgeber Sie als Arbeitnehmer über bestehende Resturlaubsansprüche aufklären muss (Az. 9 AZR 278/16, Az. 321/16 und Az. 541/15). Er muss Sie auffordern, den Urlaub zu nehmen, und in die Lage versetzen, Ihren Resturlaub abzubauen. Nur dann, wenn Sie darauf nicht reagieren, verfällt der Urlaub zum Jahresende bzw. am 31.3. des Folgejahres. Dass Arbeitnehmer es trotzdem nicht immer schaffen, ihren Urlaub fristgerecht zu nehmen, zeigt die folgende Entscheidung, die jetzt beim BAG anhängig ist (29.9.2020, Az. 9 AZR 266/20). Da die Resturlaubsansprüche in dem Fall teilweise schon sehr lange zurückliegen, hat das BAG jetzt ein Vorabentscheidungsverfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet, um zu klären, wann Urlaubsansprüche verjähren.
Arbeitnehmerin verlangt Urlaubsabgeltung
Der Fall: Eine Steuerfachangestellte war bis Juli 2017 in einer Steuerberatungskanzlei beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie auf eine mehr als 20 Jahre andauernde Beschäftigung in dieser Kanzlei zurückblicken. Als ihr Arbeitsverhältnis endete, hatte sie einen Resturlaubsanspruch von rund 100 Tagen angesammelt. In einem Schreiben aus dem Jahr 2012 hatte der Arbeitgeber zudem bestätigt, dass der Resturlaubsanspruch in Höhe von 76 Tagen aus dem Jahr 2011 sowie den Vorjahren nicht am 31.3.2012 verfalle, da die Beschäftigte den Urlaub wegen des hohen Arbeitsaufkommens in der Kanzlei nicht angetreten hatte. Deshalb verlangte die Arbeitnehmerin im Februar 2018 Urlaubsabgeltung in Höhe von 21.000 € von ihrem Arbeitgeber.
Der Arbeitgeber weigerte sich jedoch, die Abgeltung zu zahlen. Er hielt dem Verlangen der Arbeitnehmerin entgegen, dass sie nur 14 Tage Resturlaub im Wert von 3.200 € habe. Zudem stellte er klar, dass es nach seiner Ansicht nur um den Urlaub aus den Jahren 2015 bis 2017 gehen könne. Sämtliche eventuell früher bestehenden Resturlaubsansprüche seien inzwischen verjährt. Denn die regelmäßige Verjährungsfrist betrage 3 Jahre, § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Damit wollte sich die Arbeitnehmerin nicht zufriedengeben. Der Fall landete vor Gericht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf gab der Arbeitnehmerin recht und sprach ihr die Abgeltung der Urlaubstage zu (21.2.2020, Az. 10 Sa 180/19). Da das LAG die Revision zugelassen hatte, landete der Fall prompt beim BAG.
BAG leitet Vorabentscheidungsverfahren ein
Das BAG leitete nun ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH ein. Und zwar mit der Frage, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU im Einklang stehe, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) wegen Verjährung (§§ 194, 195 BGB) verfallen könne.
Verjährungsfristen sind entscheidungserheblich
Die Entscheidung: Das Gericht begründete sein Vorgehen damit, dass es entscheidungserheblich sei, ob die nicht erfüllten Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin aus dem Jahr 2014 und den Vorjahren bei Klageerhebung bereits verjährt seien. Die Richter vertraten die Ansicht, dass die Urlaubsansprüche nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen könnten. Schließlich erlösche der gesetzliche Mindesturlaub bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG nur, wenn der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmer am Ende des Kalenderjahres bzw. des vereinbarten Übertragungszeitraums auf den drohenden Verfall des Resturlaubs hinweise. Daran mangelte es hier.
Diese Konsequenzen können Sie ziehen
Für Sie als Betriebsrat heißt das: Hat Ihr Arbeitgeber Sie und betroffene Kollegen nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, welchen Resturlaubsanspruch Sie noch haben, und Sie aufgefordert, diesen zeitnah zu nehmen, können die entsprechenden Ansprüche nicht verfallen. Sie und betroffene Kollegen können im Fall des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis Abgeltung verlangen.
§ 7 Abs. 3 BUrlG
(3) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten 3 Monaten des Kalenderjahres gewährt und genommen werden.
Tipp: Das können Sie tun
Als Betriebsrat sollten Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen beratend
unterstützen. Machen Sie sie – vor allem wenn Ihr Arbeitgeber sie
ordnungsgemäß zu ihren Resturlaubsansprüchen unterrichtet hat – noch
einmal auf den drohenden Verfall ihrer Urlaubstage aufmerksam. Sagen Sie
ihnen im Zweifel genau, bis zu welchem Datum sie die Resturlaubstage
übertragen dürfen. Scheiden Kollegen aus dem Betrieb aus, empfehlen Sie
ihnen zu prüfen, welchen Urlaubsanspruch sie für das laufende
Kalenderjahr noch haben.

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