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Die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs steht spätestens dann endgültig fest, wenn ein Arbeitsgericht (ArbG) den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit rechtskräftig zurückgewiesen hat. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) BerlinBrandenburg kürzlich in einer Entscheidung klargestellt (23.6.2023, Az. 12 TaBV 638/22).
§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG
Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
Arbeitgeberin und Betriebsrat streiten über Detail bei Rufbereitschaftsdiensten
Der Fall: Die Arbeitgeberin, ein Krankenhaus, arbeitete wie in Krankenhäusern üblich mit Rufbereitschaftsdiensten. Dazu hatte sie sich mit dem Betriebsrat auf eine Betriebsvereinbarung geeinigt. Nun war sie allerdings mit ihm in einen Streit darüber geraten, ob sie für bestimmte Rufbereitschaftsdienste von Fachärzten eine Höchstzeit vorgeben darf, in welcher die Diensthabenden am Arbeitsplatz erscheinen müssen. Sie wollte ihren betroffenen Mitarbeitern 30 Minuten Zeit geben.
Betriebsrat klagt auf Unterlassung
Damit war der Betriebsrat nicht einverstanden. Er verlangte deshalb die Unterlassung dieser Anordnung. Als die Arbeitgeberin dies ignorierte, zog er vor das ArbG Brandenburg. Dort verlangte er, der Arbeitgeberin aufzugeben, ihr Ansinnen zu unterlassen.
Erstinstanzliches Gericht entscheidet zugunsten der Arbeitgeberin
Das ArbG Brandenburg wies den Antrag ab. Das begründete es damit, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zwar die Aufstellung von Rufbereitschaftsplänen umfasse, nicht aber die inhaltliche Ausgestaltung der Rufbereitschaft. Zudem sei die Rufbereitschaft durch eine Tarifvorschrift abschließend geregelt. Als weiteren Punkt wendete das Gericht ein, dass der Zeitraum von 30 Minuten vom Europäischen Gerichtshof nicht beanstandet werde.
Betriebsrat akzeptiert die Entscheidung nicht
Auf diese Entscheidung reagierte der Betriebsrat mit einer Beschwerde. Dies zog die Abänderung des Beschlusses nach sich.
Arbeitgeberin darf Mitarbeiter nicht anweisen
Die Entscheidung: Das LAG Berlin-Brandenburg gab dem Antrag des Betriebsrats auf Unterlassung statt. Die Richter entschieden, dass die Arbeitgeberin es unterlassen müsse, ihre Mitarbeiter anzuweisen, während ihrer Rufbereitschaftsdienste innerhalb von 30 Minuten am Arbeitsplatz zu sein.
Das begründete das Gericht damit, dass die Arbeitgeberin mit der einseitigen Vorgabe einer Anrückzeit, die nicht für alle Anwendungsfälle gesichert angemessen sei, den Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung der Betriebsvereinbarung verletze. Voraussetzung des Anspruchs sei eine wirksame Betriebsvereinbarung.
Diese Voraussetzung war hier erfüllt. Denn die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung, durch Einigungsstellenspruch zustande gekommen, einschließlich der Regelung zur Rufbereitschaft, war bereits 2014 durch rechtskräftigen Beschluss des ArbG Brandenburg festgestellt worden. Aus diesem Durchführungsanspruch konnte der Betriebsrat die Unterlassung der Anweisung fordern.
Wie Rufbereitschaftsdienste einzuordnen sind
Rufbereitschaft ist eine Form der Arbeit, die gar nicht als Arbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) gilt. Denn während einer Rufbereitschaft kann sich der Arbeitnehmer an einem von ihm selbst gewählten Ort außerhalb des Betriebs aufhalten. Er ist allerdings verpflichtet, im Zweifelsfall sogar während eines bestimmten Zeitraums, nach einem entsprechenden Anruf am Arbeitsplatz zu erscheinen.
Nur Heranziehungszeit ist Arbeitszeit
Als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG zählt allerdings nur die sogenannte Heranziehungszeit, also die Zeit, die der Arbeitnehmer während einer Rufbereitschaft tatsächlich an seinem Arbeitsplatz verbringt. Nur diese Zeit wird deshalb als Vollarbeit vergütet. Für die Zeit, in der sich ein Kollege „nur“ bereithält, kann Ihr Arbeitgeber eine Pauschale leisten, die geringer als der Lohn ausfällt.
Tipp: Prüfen Sie mögliche einschlägige Betriebsvereinbarungen
Kommt es in Ihrem Betrieb zu einer vergleichbaren Situation und möchten Sie ebenfalls von Ihrem Arbeitgeber Unterlassung fordern, prüfen Sie zunächst, ob Sie diese mit einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung oder einem anwendbaren Tarifvertrag durchsetzen können. Falls ja, weisen Sie Ihren Arbeitgeber darauf hin, dass Sie Ihren Anspruch ggf. gerichtlich geltend machen werden, wenn er von seinem Verhalten nicht absieht.
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