Bei Überstunden haben Sie als Betriebsrat keinen Unterlassungsanspruch

11. Dezember 2020

Lesezeit 2 Minuten

Überstunden sind ein Dauerbrenner in Ihrer Arbeit als Betriebsrat. Selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten fallen sie an bzw. werden sie geleistet. Das Leidige daran ist: Häufig werden die zusätzlich geleisteten Stunden nicht ordnungsgemäß angeordnet. Manchmal werden Sie als Betriebsrat nicht wie vorgesehen beteiligt. Hin und wieder leisten die Arbeitnehmer Überstunden, die Ihr Arbeitgeber zwar nicht zuvor angeordnet hat, die er aber duldet. Gerade darüber, wann eine solche Duldung vorliegt, gibt es immer wieder Auseinandersetzungen.

Dazu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung klare Vorgaben getroffen. Außerdem hat es klargestellt, was das für Sie als Betriebsrat bedeutet (BAG, 28.7.2020, Az. 1 ABR 18/19).

§ 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG

(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen.

Der Fall: Betriebsvereinbarung trifft Regelungen zur Arbeitszeit

Beim Arbeitgeber, einem Betrieb für logistische Dienstleistungen, wurde im 4-Schicht-Betrieb rund um die Uhr gearbeitet. Über eine Regelung zur Schichtarbeit sowie zum Vorgehen bei Überstunden hatte sich der Arbeitgeber mit dem im Unternehmen gebildeten Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung zum Thema „Arbeitszeit“ geeinigt. Zu dieser Betriebsvereinbarung gehörten verschiedene Anlagen, die unterschiedliche Betriebe des Unternehmens betrafen. Eine der Anlagen regelte dass die tägliche Arbeitszeit der Beschäftigten in jeder Schicht 8 Stunden beträgt.

Zeiterfassungssystem weist mehr als 8 Stunden aus

In der Zeit von März bis Mai 2017 wies das digitale Zeiterfassungssystem wiederholt für 2 Arbeitnehmer mehr als 8 Stunden aus. Das missfiel dem Betriebsrat. Er beschwerte sich beim Arbeitgeber, dass Überstunden geleistet worden seien, ohne dass er zuvor beteiligt worden wäre. Gleichzeitig forderte er ihn auf, den Sachverhalt zu klären und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Arbeitgeber prüft den Vorwurf

Das tat der Arbeitgeber auch. Er prüfte die Angelegenheit und teilte dem Betriebsrat im Anschluss per E-Mail mit, dass die betroffenen Arbeitnehmer bei der Erfassung ihrer Arbeitszeiten technisch versehentlich einem für sie nicht geltenden Arbeitszeitmodell zugeordnet worden seien.

Teamleader leistet Überstunden

Die Auseinandersetzung hatte aber eine Fortsetzung. Und zwar im Oktober und Dezember 2017. In diesen Monaten fanden im Betriebsteil Warehouse Betriebsversammlungen statt. Ein als Teamleader tätiger Arbeitnehmer leistete deshalb Überstunden.

Der Betriebsrat zog deshalb umgehend vor Gericht und verlangte die Unterlassung der mitbestimmungswidrig geduldeten Überstunden nach § 23 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) beim Arbeitsgericht.

Gericht verweigert Betriebsrat den Unterlassungsanspruch

Die Entscheidung: Das Gericht verweigerte dem Betriebsrat den Unterlassungsanspruch nach § 23 BetrVG. Und zwar mit der Begründung, dass der Arbeitgeber sich nicht betriebsverfassungswidrig verhalten habe. Die Richter räumten zwar ein, dass Überstunden grundsätzlich mitbestimmungspflichtig seien. Dies gelte unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Überstunden anordne oder dulde. Allerdings setze eine Duldung in diesem Sinn voraus, dass der Arbeitgeber es unterlasse, gebotene Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Daran fehle es hier.

Arbeitgeber hatte Gegenmaßnahmen ergriffen

Der Arbeitgeber habe allenfalls das Arbeiten in einem falschen Arbeitszeitsystem unbemerkt hingenommen. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass im Zusammenhang mit der Durchführung von Betriebsversammlungen regelmäßig Überstunden anfielen. Das sei aber Voraussetzung dafür, dass man auf das Unterlassen gebotener Gegenmaßnahmen schließen könne.

FAZIT: Bestehen Sie auf Ihrer Beteiligung

Der Arbeitgeber konnte den Vorwurf, sich im Hinblick auf die Beteiligung des Betriebsrats bei der Arbeitszeit nicht richtig verhalten zu haben, hier abwenden. Das ist in der Praxis allerdings längst nicht immer der Fall. Schließlich werden von den Arbeitgebern immer noch haufenweise Überstunden toleriert, ohne dass diese zuvor angeordnet wurden. In all diesen Fällen haben Sie als Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Fordern Sie Ihre Beteiligung unbedingt ein, bevor Ihr Arbeitgeber zusätzliche Stunden anordnet.

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