Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung erst beteiligen, wenn der zu versetzende Mitarbeiter gleichgestellt ist

15. März 2020

Möchte Ihr Arbeitgeber einen schwerbehinderten Arbeitnehmer versetzen, ist er gehalten, zunächst die Schwerbehindertenvertretung zu informieren und anzuhören. Die gleiche Pflicht trifft ihn bei behinderten Kolleginnen und Kollegen, die einem Schwerbehinderten gleichgestellt sind. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nun zu klären, ob der Arbeitgeber an dieses Vorgehen auch gebunden ist, wenn ein Beschäftigter einen Gleichstellungsantrag gestellt hat, das Verfahren aber noch läuft. Das haben die Richter kürzlich verneint.

Arbeitnehmerin beantragt Gleichstellung

Der Fall: Die Arbeitnehmerin eines Jobcenters war als behinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 30 anerkannt. Im Februar 2015 stellte sie bei der Bundesagentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Darüber informierte sie ihren Arbeitgeber. Das nahm dieser zum Anlass, die Arbeitnehmerin im November 2015 zu versetzen. Die Schwerbehindertenvertretung hatte er vorher nicht angehört.

Im April 2016, gut ein Jahr, nachdem die Arbeitnehmerin den Antrag auf Gleichstellung gestellt hatte, stellte die Bundesagentur für Arbeit sie rückwirkend zum Februar 2015 einer schwerbehinderten Arbeitnehmerin gleich. Sie beschied den Antrag also positiv.

Das wiederum nahm nun die Schwerbehindertenvertretung zum Anlass, gegen das Jobcenter, also den Arbeitgeber, vorzugehen. Sie monierte, dass sie über die Versetzung der Arbeitnehmerin nicht informiert und angehört worden sei. Allerdings hatte sie vor Gericht keinen Erfolg.

Schwerbehindertenvertretung ist erst bei Gleichstellung zu beteiligen

Die Entscheidung: Das Gericht verneinte den Beteiligungsanspruch der Schwerbehindertenvertretung. Es entschied, dass ihr der geforderte vorsorgliche Beteiligungsanspruch nicht zustehe (BAG, 22.1.2020, Az. 7 ABR 18/18). Das begründeten die Richter damit, dass die Schwerbehindertenvertretung erst ab dem Zeitpunkt zu beteiligen sei, ab dem die Gleichstellung anerkannt sei.

Wann Ihr Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung einbeziehen muss

Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend informieren und vor der Entscheidung anhören. Zu den genannten Angelegenheiten zählen beispielsweise eine Versetzung oder eine Kündigung.

Die Regelung gilt nach § 151 Abs. 1 SGB IX auch für gleichgestellte behinderte Menschen. Eine ohne die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung getroffene Entscheidung kann auf deren Veranlassung hin zunächst ausgesetzt werden. Die Beteiligung ist in einem solchen Fall innerhalb von 7 Tagen nachzuholen. Eine Kündigung, die ohne eine entsprechende Anhörung durchgeführt wird, ist unwirksam.

Bei Kollegen, die noch nicht gleichgestellt sind, muss Ihr Arbeitgeber die Vorschriften jedoch nicht berücksichtigen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Gleichstellung im Zweifel auf den Tag des Antrags zurückdatiert wird.

Tipp: 


Setzen Sie als Betriebsrat sich dafür ein, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen mit einer attestierten Schwerbehinderung oder Gleichstellung stets so beschäftigt werden, dass sie einen möglichst ausfüllenden Job haben und sich dabei nicht überfordern oder ihre bereits beeinträchtigte Gesundheit noch weiter schädigen.

Überblick: Wo Sie ansetzen können, um schwerbehinderte Kollegen zu fördern

PrüfpunkteWelche Verbesserungsmöglichkeiten kommen in Betracht?
Wie ist der jeweilige schwerbehinderte Kollege qualifiziert? Kann jeder seine Fähigkeiten an seinem Arbeitsplatz optimal einsetzen? Werden seine Kenntnisse für den Betrieb optimal ausgeschöpft?Sehen Sie Verbesserungsbedarf, sprechen Sie zunächst mit dem Kollegen. Klären Sie, ob er sich selbst unter- oder überfordert fühlt oder ob er unter Umständen gar keinen Änderungsbedarf sieht. Je nach Ergebnis des Gesprächs überlegen Sie mit ihm zusammen, wie die Situation verbessert werden könnte.
Verschaffen Sie sich einen Überblick, ob Ihre schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen den anderen Kollegen im Hinblick auf Weiter- und Fortbildungen zumindest gleichgestellt werden. Prüfen Sie zudem, ob es Weiterbildungen gibt, die den schwerbehinderten Kollegen im Arbeitsalltag besonders nutzen.Fertigen Sie eine Aufstellung an. Tragen Sie ein, welche Kollegen an welchen Weiterbildungen teilgenommen haben. Diskutieren Sie notwendige Maßnahmen und sinnvolle Möglichkeiten anschließend mit Ihrem Arbeitgeber.
Machen Sie sich ein Bild davon, ob der Arbeitsplatz Ihrer schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen behindertengerecht eingerichtet ist.Gehen Sie zum jeweiligen Arbeitsplatz Ihrer Kollegen. Sprechen Sie mit ihnen. Finden Sie heraus, ob der Arbeitsplatz mit den notwendigen technischen Hilfen ausgestattet ist und wo noch Nachbesserungsbedarf besteht.

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