Ihr Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, an der Wiedereingliederung eines Arbeitnehmers mitzuwirken, § 167 Sozialgesetzbuch (SGB) IX. Und zwar in der Form, dass der bzw. die Beschäftigte entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftigt wird. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat allerdings kürzlich entschieden, dass das nicht gilt, wenn ein Arbeitgeber begründete Zweifel am Erfolg der Maßnahme hat. Kann er Gründe für die Annahme vorweisen, dass der Gesundheitszustand des betroffenen Arbeitnehmers die Maßnahme nicht zulässt, kann er eine stufenweise Wiedereingliederung ausnahmsweise ablehnen.
Schwerbehinderter Arbeitnehmer erkrankt längerfristig arbeitsunfähig
Der Fall: Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer war bereits länger als ein Jahr arbeitsunfähig krankgeschrieben, als ihm während einer Untersuchung bei der Betriebsärztin bescheinigt wurde, dass eine Wiedereingliederung nur mit Einschränkungen möglich sei. Er legte seinem Arbeitgeber jedoch einen Wiedereingliederungsplan seines Arztes vor, der für seine frühere Tätigkeit keine Einschränkungen vorsah. Diese Wiedereingliederung lehnte der Arbeitgeber ab.
Der Arbeitnehmer unternahm daraufhin einen 2. Versuch. Er legte ein Gutachten der ihn behandelnden Psychologin vor, das auch mit einem Wiedereingliederungsplan verbunden war und – wie der erste Plan – ebenfalls ohne Einschränkungen. Auch das psychologische Gutachten bestätigte „keine Einschränkungen“.
Dieses Gutachten überzeugte auch die Betriebsärztin. Sie hatte keine Bedenken mehr. Deshalb konnte die Wiedereingliederung starten – allerdings mit 3 Monaten Verspätung. Sie endete letztendlich erfolgreich. Die volle Arbeitsfähigkeit wurde wiederhergestellt.
Verspäteter Start veranlasst Arbeitnehmer zur Klage
Das reichte dem betroffenen Arbeitnehmer jedoch nicht. Die 3-monatige Verspätung führte dazu, dass es entsprechend länger dauerte, bis er wieder voll in Lohn und Brot stand. Er erlitt dadurch finanzielle Nachteile, da er während der Zeit der Wiedereingliederung weiterhin Krankengeld erhalten hatte. Denn er war während der Wiedereingliederung weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Deshalb klagte er die Differenz zwischen seinem Gehalt und dem Krankengeld ein – allerdings ohne Erfolg.
Arbeitgeber darf die Maßnahme ablehnen
Die Entscheidung: Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber die Maßnahme ablehnen durfte. Die Richter stellten klar: Arbeitgeber dürfen Maßnahmen einer Wiedereingliederung ablehnen, wenn sie aufgrund ärztlicher Gutachten, insbesondere eines Gutachtens des Betriebsarztes oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, begründete Bedenken haben, dass die Maßnahme Aussicht auf Erfolg hat (BAG, 16.5.2019, Az. 8 AZR 530/17).
Gleiches gelte, wenn ein Arbeitgeber Befürchtungen habe, dass die geplanten Maßnahmen den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers unter Umständen sogar verschlechtern würden. In solchen Fällen stehe dem Arbeitnehmer auch kein Schadenersatzanspruch zu. Er habe lediglich die Möglichkeit, ein Gegengutachten erstellen zu lassen. Ein solches ziehe eine neue Entscheidung nach sich. Genau das hatte der Arbeitnehmer hier gemacht.
Setzen Sie sich für die Durchführung eines BEM ein
Stellt Ihr Arbeitgeber fest, dass ein Kollege immer wieder oder auch über einen längeren Zeitraum hinweg erkrankt ist, sollte mit innerbetrieblichen Mitteln versucht werden, dessen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Dazu wurde im Jahr 2004 das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) geschaffen. § 167 SGB IX regelt die Pflicht Ihres Arbeitgebers zur Durchführung des BEM. Er muss also – ob er will oder nicht. Das ist gut. Denn Gesunderhaltung heißt Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen und Sicherung des Arbeitsplatzes. Liegen also wiederholt krankheitsbedingte Fehlzeiten eines Kollegen vor, ist Ihr Arbeitgeber zur Durchführung des BEM verpflichtet.
Checkliste: Die wichtigsten Schritte bei BEM auf einen Blick
- Sie haben festgestellt, dass ein Kollege die zeitlichen Grenzen der Arbeitsunfähigkeit des § 167 Abs. 2 SGB IX überschritten hat. Er war innerhalb von 12 Monaten länger als 6 Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig bzw. innerhalb von 12 Monaten wiederholt arbeitsunfähig krank (dabei insgesamt mehr als 6 Wochen).
- Kommen Sie nicht auf die Summe von 6 Wochen, können Sie hier schon stoppen. Die Voraussetzungen für die Durchführung des BEM sind dann nicht erfüllt.
- Der betroffene Kollege wurde über das beabsichtigte BEM und dessen Ziele informiert (bei noch bestehender Arbeitsunfähigkeit = Überwindung; bei häufiger Arbeitsunfähigkeit = Vermeidung künftiger krankheitsbedingter Fehltage).
- Der Betroffene wurde über die für das BEM erhobenen und verwendeten Daten (z. B. Fehlzeitenaufstellung, Daten über die Krankheit) informiert.
- Die schriftliche Zustimmung des Kollegen wurde eingeholt. Zudem wurde eine eventuelle Verweigerung der Zustimmung des Kollegen dokumentiert.
- Die Teilnehmer am BEM wurden festgelegt.
Können Sie bei allen Punkten das Ja ankreuzen, haben Sie die wichtigsten Vorbereitungen getroffen.
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