Arbeitgeber darf Betriebsrat eine besonders hohe Abfindung anbieten

21. Mai 2018

Möchte ein Arbeitgeber einen Betriebsrat dazu bewegen, das Arbeitsverhältnis mit ihm zu beenden, kann er ihm im Rahmen eines Aufhebungsvertrags eine außergewöhnlich hohe Abfindung zusprechen. Dadurch wird der Betriebsrat nicht unzulässig begünstigt. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erst kürzlich entschieden.

Arbeitgeber und Betriebsrat einigen sich auf Aufhebungsvertrag

Der Fall: Ein Arbeitnehmer war bereits seit Anfang der 1980er Jahre bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Seit dem Jahr 2006 agierte er als Vorsitzender des Betriebsrats. Während seiner Zeit als Betriebsratsvorsitzender war er zudem von seiner ursprünglichen Aufgabe im Unternehmen, einer Gießerei, freigestellt.

Mitte des Jahres 2013 wollte der Arbeitgeber ihm außerordentlich verhaltensbedingt kündigen. Und zwar mit der Begründung, dass er angeblich eine ihm unterstellte Sekretärin gestalkt und sexuell belästigt habe. Diesen Vorwurf bestritt der Betriebsratsvorsitzende. Deshalb verweigerte das Betriebsratsgremium die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Der Arbeitgeber beantragte daraufhin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung bei Gericht. In einem von diesem Antrag getrennten Verfahren beantragte der Arbeitgeber außerdem den Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Gremium.

Arbeitnehmer erhält Abfindung in Höhe von 120.000 €

Ende Juli 2013 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag. Und zwar außergerichtlich. In dem Aufhebungsvertrag war unter anderem geregelt, das Beschäftigungsverhältnis zum 31.12.2015 enden sollte. Bis dahin sollte die bezahlte Freistellung weitergeführt werden. Der Beschäftigte musste allerdings umgehend vom Betriebsratsamt zurücktreten. Zudem sollte er eine Abfindung in Höhe von 120.000 € erhalten.

Kurz nachdem die Abfindung in Höhe von 120.000 € ausgezahlt worden war, erhob der Beschäftigte Klage. Er wollte durchsetzen, dass er über den 31.12.2015 hinaus bei seinem Arbeitgeber beschäftigt werden müsse. Das begründete er damit, dass der Aufhebungsvertrag nichtig sei. Er war der Ansicht, er sei als Betriebsratsmitglied durch den Aufhebungsvertrag in unzulässiger Weise begünstigt worden.

Hohe Abfindung stellt keine unzulässige Begünstigung dar

Die Entscheidung: Mit seiner Klage hatte er keinen Erfolg. Das Gericht räumte zwar ein, dass Betriebsräte wegen ihres Amts nach § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) weder begünstigt noch benachteiligt werden dürfen. Zudem stellten die Richter klar, dass getroffene Vereinbarungen, die gegen dieses Verbot verstoßen, nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch nichtig sind. Ein entsprechender Verstoß lag nach Ansicht des BAG jedoch nicht vor.

Die Richter entschieden, dass das Betriebsratsmitglied durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags nicht unzulässig begünstigt worden sei (BAG, 21.3.2018, Az. 7 AZR 590/16). Eine eventuell günstigere Verhandlungsposition gegenüber Arbeitnehmern aus der Belegschaft sei auf den in § 15 Kündigungsschutzgesetz und § 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte zurückzuführen. Die Richter sagten zudem ausdrücklich, dass Betriebsräte in einem Aufhebungsvertrag höhere Abfindungen aushandeln können als ihre Kollegen aus der Belegschaft. Auch darin sei keine Begünstigung im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG zu sehen.

Können sich Ihre Kollegen aus einem Aufhebungsvertrag wieder lösen?

Wenn Ihre Kollegen einen Aufhebungsvertrag schließen, ist für sie von besonderem Interesse, wie sie im Zweifel wieder aus dem Vertragsverhältnis herauskommen. Das ist nicht einfach. Denn es gilt der Grundsatz: Vertrag ist Vertrag. Da dieser das Arbeitsverhältnis beenden soll, enthält er keine automatische Rücktritts- bzw. Widerrufsmöglichkeit. Nicht selten bereuen Arbeitnehmer ihre Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag bereits am nächsten Tag. Deshalb ist es wichtig, dass betroffene Kollegen sich schützen.

Tipp: 

Widerrufsrecht vereinbaren

Ein Widerrufsrecht kann – sofern es nicht tariflich geregelt ist – auch in einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber geregelt werden. Versuchen Sie, mit Ihrem Arbeitgeber eine entsprechende Vereinbarung zu schließen. Sollte er sich nicht darauf einlassen, raten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen, im jeweiligen Aufhebungsvertrag individuell ein Widerrufsrecht (z. B. binnen 14 Tagen) zu vereinbaren.

Wann Ihre Kollegen einen Aufhebungsvertrag anfechten können

Wie jeder andere Vertrag kann auch ein Aufhebungsvertrag nachträglich angefochten werden. Voraussetzung dafür ist, dass es einen einschlägigen Anfechtungsgrund gibt. Möglich ist hier: ein Irrtum, eine arglistige Täuschung oder eine widerrechtliche Drohung. Will Ihr Kollege die Anfechtung durchsetzen, muss er das Vorliegen des Anfechtungsgrunds beweisen. In der Praxis wird Ihnen am ehesten die Anfechtung wegen einer widerrechtlichen Drohung begegnen.

Beispiel: Ihr Arbeitgeber hat einen Kollegen zur Unterzeichnung des Vertrags mit der Drohung, dass ihm ansonsten gekündigt würde, quasi gezwungen. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses war jedoch nicht gerechtfertigt. Im Fall eines Prozesses wäre Ihr Arbeitgeber damit gescheitert.

Eine Anfechtung aus diesem Grund kommt allerdings nur in Betracht, wenn ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung bei gegebener Sachlage nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte (BAG, 3.7.2003, Az. 2 AZR 327/02). Das heißt: Auf eine drohende berechtigte Kündigung darf Ihr Arbeitgeber hinweisen.

Sie haben wenig Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen

Als Betriebsrat haben Sie beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags keine vorherigen Anhörungsrechte wie bei einer Kündigung. Das heißt: Ihr Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, Sie an den Vertragsverhandlungen zu beteiligen.

Wird im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag auch die Beurteilung der Leistung besprochen, kann Ihr Kollege Sie als Betriebsrat hinzuziehen (§ 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Die Modalitäten des Aufhebungsvertrags darf Ihr Arbeitgeber aber mit dem Kollegen allein besprechen. Ihre Aufgabe ist es deshalb, Ihre Kollegen so auf die Verhandlungen vorzubereiten, dass sie jedenfalls nicht zu ihren Ungunsten verlaufen.

Tipp: 

Unterstützen Sie Ihre Kollegen mit Infos

Unterstützen Sie Ihre Kollegen, indem Sie sie auf die Gefahren von Aufhebungsverträgen (häufig keine Widerrufsmöglichkeit, Sperre beim Arbeitslosengeld) sowie die Gefahren einzelner Klauseln in solchen Verträgen (Ausgleichsklauseln) hinweisen.

Hat sich Ihr Arbeitgeber mit einem Kollegen auf eine betriebliche Altersversorgungsregelung geeinigt, dann sollte auch eine Vereinbarung über hieraus resultierende Ansprüche getroffen werden. In der Praxis einigen sich viele Arbeitnehmer mit ihrem Arbeitgeber auf eine Direktversicherung. Diese Art von Versicherungen muss ein neuer Arbeitgeber heute übernehmen. Empfehlen Sie betroffenen Kollegen sicherzustellen, dass etwaige Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung im Aufhebungsvertrag nicht von einer Ausgleichsklausel erfasst sind.

© 05/2018 VNR AG

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