Wie Sie von der Unterstützung profitieren und Konflikte mit dem Wirtschaftsausschuss weitestgehend vermeiden

29. Mai 2019

Der Wirtschaftsausschuss ist ein wichtiges Organ für die Arbeitnehmervertretung. Er ist anders als Sie kein Mitbestimmungsorgan, sondern soll Sie als Betriebsrat in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unterstützen. Damit Sie von der möglichen Unterstützung ab sofort richtig profitieren, lesen Sie im Folgenden, welche Bedeutung der Wirtschaftsausschuss für Sie und Ihren Betrieb hat.

Aufgabe des Wirtschaftsausschusses

Aufgabe des Wirtschaftsausschusses ist es, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer/Arbeitgeber zu beraten und Sie als Betriebsrat über die Beratungsgegenstände zu informieren, § 106 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dabei sind auch immer die Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen.

Eine Ausnahme von dieser Unterrichtungspflicht besteht nur, wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gefährdet sind. Zwar unterliegen die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses genauso wie Sie der Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG. Dennoch kann es Situationen geben, in denen die Unterrichtung mit einer Gefahr für den Betrieb verbunden ist.

Wirtschaftsausschuss hat Berichts- und Beratungsfunktion

Der Wirtschaftsausschuss hat einerseits die Beratungsfunktion gegenüber Ihrem Arbeitgeber und andererseits gegenüber Ihnen als Betriebsrat die Berichtsfunktion. Ihnen werden die Berichtsaufgaben vermutlich geläufiger sein. Schließlich sind Sie als gesamtes Gremium unmittelbar involviert.

Die Beratungsaufgabe ist aber für Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Belegschaft mindestens genauso wichtig. Denn das ist letztlich eine Ihrer Möglichkeiten, auf wirtschaftliche Angelegenheiten tatsächlich Einfluss zu nehmen.

Tipp: 

Wirtschaftsausschuss Informationen einfordern

Der Wirtschaftsausschuss ist dringend auf die Unterrichtung Ihres Arbeitgebers angewiesen, damit er seine Tätigkeit richtig ausüben kann. Sorgen Sie als Betriebsrat z. B. über das von Ihnen in den Ausschuss entsandte Mitglied dafür, dass der Wirtschaftsausschuss Ihres Betriebs die notwendigen Informationen auch rechtzeitig einfordert.

Grundsätzlich ist es zwar Aufgabe des Unternehmens bzw. Ihres Arbeitgebers, die Unterrichtung von sich aus durchzuführen und dem Wirtschaftsausschuss in diesem Zusammenhang die notwendigen Unterlagen vorzulegen. Allerdings nehmen es einige Arbeitgeber mit dieser Verpflichtung nicht so genau. In den entsprechenden Fällen ist es durchaus sinnvoll, wenn der Wirtschaftsausschuss die Initiative ergreift.

Welche Angelegenheiten zu beraten sind

Die meisten Fragen, die ein Wirtschaftsausschuss zu klären hat, lassen sich einer nicht abschließenden Aufstellung zu wirtschaftlichen Angelegenheiten aus dem Gesetz entnehmen. § 106 Abs. 3 BetrVG zählt verschiedene Themen auf, die Ihr Arbeitgeber und der Wirtschaftsausschuss zu beraten haben. Ihnen führt das vor Augen, dass der Wirtschaftsausschuss die Möglichkeit hat, sich ein umfassendes Bild der wirtschaftlichen Angelegenheiten zu machen.

Nach § 106 Abs. 3 BetrVG gehören zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten

■    Die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens: Dazu gehören vor allem Gewinne, Verluste, Außenstände, steuerliche Belastungen, die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, der Auftragsbestand sowie die Liquidität usw.

■    Die Produktions- und Absatzlage: Dies betrifft z. B. Fragen der Kapazitätsauslastung, der Produktion und der Lagerbestände.

■    Das Produktions- und Investitionsprogramm: Hierunter fallen Informationen zur Durchführung von Investitionsvorhaben und ihrer Finanzierung.

■    Rationalisierungsvorhaben: Das betrifft z. B. die Ausgliederung von Betriebsteilen bzw. von Aufgaben (Beispiel: Buchhaltung an ein Servicecenter in ein lohnkostengünstigeres Land ausgliedern).

■    Fabrikations- und Arbeitsmethoden, Informationen zu anstehenden Änderungen und Neuerungen im Hinblick auf die Arbeitsmethoden

■    Fragen des betrieblichen Umweltschutzes

■    Geplante Betriebsänderungen: Das sind Stilllegungen oder Teilstilllegungen, die Verlegungen von Betrieben und die Aufspaltung von Betriebsteilen, auch der Zusammenschluss und die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen.

■    Sonstige Vorhaben, die Ihre sowie die Interessen Ihrer Kollegen in der Belegschaft in einem nicht unerheblichen Maß berühren, vor allem, wenn die geplanten Maßnahmen sie beeinträchtigen.

Nutzen Sie Grauzonen für sich und fragen Sie nach

Die gesetzlichen Gegebenheiten sind relativ allgemein gehalten. Das ermöglicht es Ihnen bzw. den Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss, auch zu anderen Themen Informationen zu verlangen. So bietet es sich beispielsweise an, Fragen zu Veränderungen von Umsatzzahlen unter Berufung auf die Auskunftspflicht zur Absatzlage (§ 106 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG) zu verlangen.

Nähere Informationen zu einer eventuell anstehenden Kurzarbeit können Sie bzw. der Wirtschaftsausschuss mit der Begründung verlangen, dass Sie über Rationalisierungsmaßnahmen und die sich daraus ergebenden Auswirkungen für das Personal zu unterrichten sind.

Wann ein Wirtschaftsausschuss zu bilden ist

Ein Wirtschaftsausschuss muss in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmern gebildet werden. Dabei zählen die Auszubildenden mit, während die leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG nicht hinzuzurechnen sind. Außerdem ist das Bestehen eines Betriebsrats in einem der Betriebe des Unternehmens Voraussetzung für die Gründung eines Wirtschaftsausschusses.

Sind die Voraussetzungen gegeben, muss zwingend ein Wirtschaftsausschuss gebildet werden. Dieser ist dann für das gesamte Unternehmen zuständig, also für alle Betriebe.

So setzt sich das Gremium zusammen

Nach § 107 Abs. 1 BetrVG besteht der Wirtschaftsausschuss mindestens aus 3 und höchstens aus 7 Mitgliedern. Die genaue Anzahl der Mitglieder ist durch den Betriebsrat bzw. in Betrieben mit Gesamtbetriebsrat durch diesen zu bestimmen (§ 107 BetrVG). Sie kann beliebig gewählt werden.

Doppelengagement eines Mitglieds muss sein

Für Sie als Betriebsrat ist aber wichtig zu wissen, dass Sie die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses für die Dauer ihrer Amtszeit bestimmen. Mindestens ein Wirtschaftsausschussmitglied muss dabei sowohl in Ihrem Gremium als auch im Wirtschaftsausschuss tätig sein. Natürlich sind Sie als Gremium aber besser informiert, wenn mehrere Ihrer Kollegen die Arbeit des Wirtschaftsausschusses unterstützen.

Sie können Ihre Kollegen allerdings nicht zwingen, in den Wirtschaftsausschuss zu gehen. Überlegen Sie deshalb zunächst, welche Kolleginnen und Kollegen Ihres Betriebsratsgremiums sich für die Tätigkeit eignen. Sie sollten ein ausreichend großes Interesse und Verständnis für wirtschaftliche und technische Zusammenhänge haben. Fragen Sie die entsprechenden Kollegen.

Überzeugen Sie die Ausgewählten mit guten Argumenten, etwa dass es sich um eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe handelt und dass die Tätigkeit ihnen die Möglichkeit bietet, näher an Ihrem Arbeitgeber dran zu sein. Das ist häufig auch für andere Verhandlungen von Vorteil.

Mit welchen Auseinandersetzungen Sie rechnen müssen

Gerade wenn es für Unternehmer heikel wird, neigen sie manchmal dazu, eine Auskunft mit der Begründung abzulehnen, dass sie Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse betrifft. Denn nach § 106 Abs. 2 BetrVG ist Ihr Arbeitgeber lediglich gehalten, den Wirtschaftsausschuss zu unterrichten, wenn nicht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden.

Argument Betriebsgeheimnis zählt nicht immer

Ganz so einfach darf es sich Ihr Arbeitgeber aber nicht machen. Denn alle Mitglieder des Wirtschaftsausschusses unterliegen genauso wie Sie als Betriebsrat der Schweigepflicht.

Sie sind verpflichtet, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse für sich zu behalten. Ihr Arbeitgeber kann sich deshalb nur wirksam auf § 106 Abs. 2 BetrVG stützen und eine Auskunft verweigern, wenn er nachweisen kann, dass durch die Information und Vorlage der jeweiligen Unterlagen für gewisse Personen tatsächlich eine Gefährdung besteht.

Wann ist rechtzeitig?

Ein weiterer Punkt, der immer wieder für Auseinandersetzungen sorgt, ist die Rechtzeitigkeit. Denn nach § 106 Abs. 2 BetrVG muss die Information rechtzeitig und umfassend erfolgen.

Es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass Arbeitgeber und Wirtschaftsausschuss teilweise eine unterschiedliche Vorstellung davon haben, was rechtzeitig ist. Denn viele Arbeitgeber versuchen, wichtige wirtschaftliche Informationen möglichst lange für sich zu behalten. So haben sie die Möglichkeit, notwendige Schritte zunächst allein einzuleiten.

Das dürfen sie aber gar nicht so ohne Weiteres. Denn der Wirtschaftsausschuss ist ermächtigt, sich bereits in der Planungsphase mit unternehmerischen Entscheidungen zu befassen. Empfehlen Sie Ihren Kollegen deshalb, das Interesse einer frühzeitigen Unterrichtung ausdrücklich zu signalisieren.

Wann der genaue Zeitpunkt ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall und dessen Komplexität ab. Auf jeden Fall sollten Sie als Gremium genug Zeit haben, sich bereits vor einer dafür anberaumten Sitzung mit dem Thema auseinanderzusetzen. Informiert Ihr Arbeitgeber Sie nicht oder nicht rechtzeitig oder können Sie sich einfach nicht einigen, können Sie anhand der folgenden Checkliste prüfen, ob es sich lohnt, die Einigungsstelle einzuschalten.

Sind Kopien der Unterlagen erlaubt?

Im Zusammenhang mit der Pflicht Ihres Arbeitgebers, wirtschaftliche Zusammenhänge zu erläutern und die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, kommt oft die Frage auf, ob Ihre Kollegen die Unterlagen, wie z. B. die Bilanz oder den Jahresabschluss kopieren dürfen. Die Antwort lautet klar: nein. Ihre Kollegen haben nach § 108 Abs. 3 BetrVG ein Einsichtsrecht. Es ist ihnen lediglich erlaubt, Einsicht zu nehmen, ähnlich wie Sie und Ihre Kollegen Einsicht in die Personalakte nehmen können. Das Einsichtsrecht erlaubt die Anfertigung von Notizen. Schließlich sollen die Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss Ihnen als Betriebsrat im Anschluss an die jeweilige Sitzung konkrete Auskunft geben können. Eine vollständige Abschrift oder Kopie ist hingegen verboten.

Checkliste: Wirtschaftsausschuss – haben Sie ein Recht auf Unterrichtung?

  • Wirtschaftliche Angelegenheit im Sinne des § 106 Abs. 3 BetrVG? Prüfen Sie in 2 Schritten, ob eine wirtschaftliche Angelegenheit vorliegt. Und zwar zunächst anhand der Zuordnung zu einem der Punkte auf Seite 4. Sofern eine Zuordnung nicht eindeutig möglich ist, ist zu prüfen, ob § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG, also sonstige Vorgänge und Vorhaben, in Betracht kommt.
  • Information zu wirtschaftlicher Angelegenheit erforderlich? Hier ist zu prüfen, ob eine geforderte Unterlage für die Tätigkeit des Gremiums erforderlich ist. Das setzt voraus, dass ein Zusammenhang zwischen einem berechtigten Interesse des Wirtschaftsausschusses und dem geforderten Papier bzw. der Information besteht.
  • Unterlage bereits erstellt? Information zu Angelegenheit liegt vor? Weitere Voraussetzung ist, dass eine Unterlage, die der Wirtschaftsausschuss einsehen möchte, bereits angefertigt ist. Denn er hat nicht das Recht, eine neue Erhebung einzufordern.

© 05/2019 VNR AG 

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