In den vergangenen Monaten haben die Gerichte viele Entscheidungen zu verhaltensbedingten Kündigungen getroffen. Wie bei allen anderen Kündigungen kommt Ihr Arbeitgeber auch bei der verhaltensbedingten Kündigung nicht an Ihnen vorbei. Um die Interessen Ihrer Kolleginnen und Kollegen gut vertreten zu können, sollten Sie die Details zu dieser Kündigungsart kennen.
Vorherige Abmahnung muss sein
Eine der wichtigsten Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung ist – sofern der Beschäftigte Kündigungsschutz genießt – in der Regel die vorherige Abmahnung. Das heißt: Hat Ihr Arbeitgeber an dem Verhalten eines Kollegen etwas auszusetzen, muss er die Verhaltensweisen zunächst im Rahmen einer Abmahnung beanstanden. Diese soll dem betroffenen Kollegen als Mahnung dienen, dass im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
Abmahnung verbraucht den Kündigungsgrund
So manch ein Arbeitgeber wirft im Eifer des Gefechts die Grundvoraussetzungen über den Haufen: Eine Abmahnung verbraucht den Kündigungsgrund. Mahnt Ihr Arbeitgeber einen Ihrer Kollegen wegen eines Vorfalls ab, darf er wegen desselben Vorfalls keine Kündigung aussprechen. Erst wenn der Kollege trotz Abmahnung das gleiche Fehlverhalten erneut zeigt, darf er die Kündigung aussprechen.
Verschiedenartige Pflichtverletzungen erfordern eine eigene Abmahnung. Hat Ihr Arbeitgeber einen Kollegen wegen eines Vorfalls abgemahnt, setzt der Ausspruch einer wirksamen Kündigung voraus, dass das abgemahnte Verhalten und der Kündigungsgrund gleichartig sind bzw. in einem engen Zusammenhang stehen.
! ACHTUNG
Eine Abmahnung kann ausnahmsweise entbehrlich sein
Das ist dann der Fall, wenn es zu Störungen im Vertrauensbereich kommt. Keine Abmahnung ist nötig, wenn z. B. Straftaten im Spiel sind. Voraussetzung ist insoweit, dass das Vertrauen nicht wiederhergestellt werden kann. Des Weiteren kann Ihr Arbeitgeber von einer Abmahnung absehen, wenn sich ein Kollege hartnäckig weigert, seine Anordnungen zu befolgen.
Keine Mitbestimmung bei der Abmahnung
Der Ausspruch einer Abmahnung unterliegt nicht Ihrer Mitbestimmung. Ihr Arbeitgeber muss Sie deshalb nicht vorher anhören. Im Hinblick auf eine Abmahnung sind Sie nur gefragt, wenn sich ein betroffener Kollege an Sie wendet und eine Beschwerde gegen die Abmahnung einlegt, §§ 84, 85 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
In diesem Fall können Sie für Ihren Kollegen beim Arbeitgeber vorstellig werden, um auf die Abhilfe einer berechtigten Beschwerde hinzuwirken. Sie können jedoch – anders als im Fall einer Kündigung – nicht die Einigungsstelle anrufen. Prüfen Sie aber im Rahmen jeder Anhörung zu einer verhaltensbedingten Kündigung, ob die Abmahnung ordnungsgemäß erfolgt ist.
Kündigung: Wann Sie gefragt sind
Bessert sich das Verhalten des Kollegen auch nach einer Abmahnung nicht, wird Ihr Arbeitgeber irgendwann kündigen wollen. An dieser Stelle kommen Sie ins Spiel. Während Sie bei Abmahnungen kein Beteiligungsrecht haben, muss Ihr Arbeitgeber Sie bei Kündigungen zwingend einbeziehen. Sie müssen angehört werden (§ 102 BetrVG).
Im Anhörungsverfahren teilt er Ihnen die Details zur Kündigung mit. Sie haben anschließend die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Und zwar in Form einer Zustimmung, eines Widerspruchs oder auch durch Äußerung Ihrer Bedenken. Nach Abschluss des Anhörungsverfahrens wird Ihr Arbeitgeber die Kündigung aussprechen.
Wenn Sie Widerspruch erhoben haben
Mit einem Widerspruch können Sie die speziellen, in § 102 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 BetrVG abschließend aufgeführten Gesichtspunkte geltend machen. Das sollten Sie – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – auch tun. Dennoch: Wie auch immer Sie sich gegenüber Ihrem Arbeitgeber äußern, eine Kündigung können Sie regelmäßig nicht verhindern. Schließlich trifft er die endgültige Entscheidung.
Informieren Sie Betroffene über einen Widerspruch
Haben Sie allerdings gegen die geplante Kündigung Widerspruch erhoben, sollten Sie den betroffenen Kollegen darüber informieren. Denn Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, der Kündigung Ihren Widerspruch beizufügen. Allerdings sehen viele Arbeitgeber davon in der Praxis ab.
Ihr Widerspruch verstärkt die Position des Gekündigten im Kündigungsschutzprozess. Denn damit wird ein weiterer Grund geschaffen, der zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann und den das Arbeitsgericht berücksichtigen muss, § 1 Abs. 2 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG).
Außerdem wird durch einen ordnungsgemäßen Widerspruch ein besonderer Weiterbeschäftigungsanspruch zugunsten des Betroffenen begründet. Weisen Sie Ihre von einer Kündigung betroffenen Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich darauf hin!
Kündigungsgrund muss sein
Eine verhaltensbedingte Kündigung Ihres Arbeitgebers setzt – sofern das KSchG für den Betroffenen gilt – stets einen Kündigungsgrund voraus. Das Vorliegen eines solchen sollten Sie im Rahmen Ihrer Anhörung bei jeder Kündigung prüfen.
Als Kündigungsgründe kommen in Betracht:
■ Leistungsstörungen, Beispiel: Schlechtleistung,
■ Störungen des Betriebsfriedens, Beispiel: Beleidigung,
■ Verstöße gegen Verhaltenspflichten, Beispiel: Verstoß gegen Rauch-/Alkoholverbot,
■ Störungen im Vertrauensbereich, Beispiel: Straftaten, oder
■ Verletzung von Nebenpflichten, Beispiel: verspätete Krankmeldung.
Wann eine verhaltensbedingte Kündigung angemessen ist
Für Sie als Betriebsrat stellt sich im Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund stets die Frage: Ist eine verhaltensbedingte Kündigung das angemessene Mittel, um das Verhalten zu sanktionieren?
Bei der Beantwortung dieser Frage sollten Sie sich am Bundesarbeitsgericht orientieren. Dieses hält eine Kündigung für angemessen, wenn keine zumutbare Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung besteht und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Parteien billigenswert und angemessen erscheint. Es kommt darauf an, ob das Fehlverhalten im Einzelfall geeignet ist, auch einen verständnisvollen Arbeitgeber zur Kündigung zu bewegen.
Tipp: Für letztmalige Abmahnung plädieren
Setzen Sie als Betriebsrat alles daran, eine Kündigung zu verhindern.
Natürlich werden Sie einer Kündigung, die auf eine erwiesene Straftat
folgt, nicht widersprechen können. Häufig kann sich ein die Kündigung
auslösendes Verhalten allerdings doch noch verbessern. Lässt es sich
irgendwie rechtfertigen, dann versuchen Sie, Ihren Arbeitgeber zu einer
letztmaligen Abmahnung zu bewegen.
Bei einer außerordentlichen Kündigung ist Eile geboten
Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Bindung an die Kündigungsfrist. Sie ist deshalb an strengere Voraussetzungen als eine ordentliche Kündigung gebunden.
Sie müssen angehört werden
Als Betriebsrat müssen Sie auch vor einer außerordentlichen Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Prüfen Sie im Rahmen Ihrer Anhörung stets, ob das angeprangerte Verhalten nachgewiesen ist und tatsächlich so schwerwiegend ist, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt erscheint.
Zustimmung nur, wenn es keine Alternative gibt
Da eine fristlose Kündigung schwere Folgen im Hinblick auf die berufliche Laufbahn eines Kollegen nach sich ziehen kann, sollten Sie einer solchen nur zustimmen, wenn Sie davon überzeugt sind, dass die sofortige Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses die einzige Möglichkeit ist. Um sich ein zutreffendes Bild machen zu können, sollten Sie immer auch den betroffenen Kollegen anhören, bevor Sie Ihre Stellungnahme verfassen.
Außerdem sollten Sie prüfen, ob es nicht doch noch mildere Mittel gibt, um das Verhalten zu sanktionieren. Weisen Sie dann Ihre betroffenen Kolleginnen und Kollegen eindringlich darauf hin, dass dies ihre letzte Chance ist, den Arbeitsplatz zu erhalten.
Diese Fristen müssen Sie kennen
Ihr Arbeitgeber muss eine außerordentliche Kündigung – wie bereits erwähnt – stets innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntwerden des die Kündigung provozierenden Sachverhalts aussprechen (§ 626 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Sie als Betriebsrat müssen sich deshalb auch beeilen. Statt 7 Tage haben Sie lediglich 3 Tage Zeit, um Ihre Stellungnahme zu verfassen.
So prüfen Sie eine verhaltensbedingte Kündigung
Informiert Ihr Arbeitgeber Sie über eine geplante verhaltensbedingte Kündigung im Rahmen des Anhörungsverfahrens, sollten Sie eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls vornehmen. Dazu benötigen Sie so viele Informationen über den betroffenen Kollegen wie möglich. Für die Prüfung, ob Ihnen alle notwendigen Informationen vorliegen und Sie alle notwendigen Schritte erledigt haben, hat sich die unten stehende Checkliste als Arbeitshilfe gut bewährt.
Auf die Verhältnismäßigkeit der Kündigung kommt es an
Entscheidend für die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung ist, dass sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Sie ist nicht gerechtfertigt, wenn sich ein vertragsgemäßes Verhalten des Arbeitnehmers noch mit anderen Mitteln erreichen ließe. Da es Ziel einer verhaltensbedingten Kündigung ist, das Risiko weiterer Vertragsverletzungen durch den Arbeitnehmer auszuschließen, kommt es bei der Bewertung der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Kündigung entscheidend darauf an, wie sich das Arbeitsverhältnis in Zukunft entwickeln wird.
Checkliste: Verhaltensbedingte Kündigung prüfen
- 1. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
- 2. Persönliche Daten (Name, Alter, Betriebszugehörigkeit seit …, Familienstand, Unterhaltspflichten, ausgeübte Tätigkeit, Abteilung, Arbeitsvertrag vom ., Tarifbindung
- 3. Kündigungsbedingungen (gesetzliche Frist, tarifliche Frist, vertragliche Frist, Kündigung möglich zum ., Kündigungszugang spätestens am ., Schriftform
- 4. Sonderkündigungsschutz bzw. besondere Kündigungsbedingungen (Schwerbehinderung, Mutterschutz, Elternzeit, Auszubildende, Betriebsratsmitglied)
- 5. Vorausgegangene Abmahnungen (Wann wurde zuletzt abgemahnt? Wie wurde abgemahnt – schriftlich/mündlich? Welches Verhalten wurde abgemahnt?)
- 6. Kündigungsgründe (eindeutiger Wiederholungsfall, nachweisbar durch …, letzte Abmahnung am …, wie sich das Verhalten seitdem geändert hat)
- 7. Mildere Mittel (Änderungskündigung, Versetzung, Interessenabwägung, Anhörung des Arbeitnehmers)
- 8. Information des Betriebsrats (Mitteilung der Kündigungsabsicht am …, Ablauf der Anhörungsfrist am … , Ergebnis)
- 9. Daten zur Kündigung (Schreiben vom …, zugestellt durch … am …, Ablauf der Klagefrist …)
- 10. Information des Arbeitnehmers (über das Ergebnis der Stellungnahme – insbesondere über einen Widerspruch und die sich daraus ergebende Möglichkeit der vorläufigen Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG, Hinweis auf frühzeitige Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit)
- Liegen Ihnen alle Daten vor und können Sie alle Fragen zu diesen Punkten beantworten, sind Sie bestens informiert und können die Kündigung gut prüfen.
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