So führen Sie flexible Arbeitszeiten Schritt für Schritt im Betrieb ein

18. Oktober 2019

Immer seltener arbeiten Beschäftigte eine fest vereinbarte Stundenzahl pro Tag mit fixer Anfangszeit und festgelegtem Arbeitsende. Denn die Arbeitgeber setzen mehr und mehr auf flexible Arbeitszeitmodelle. Das sollten Sie als Betriebsrat grundsätzlich unterstützen. Schließlich können Sie und Ihre Kollegen Familie und Beruf bzw. Privates und Arbeit besser miteinander vereinbaren, wenn Sie die Möglichkeit haben, Ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Setzt Ihr Arbeitgeber auf motivierte, zuverlässige und zufriedene Mitarbeiter, sollte er deshalb nicht länger zögern.

Für flexible Arbeitszeiten einsetzen, falls noch nicht eingeführt

Gibt es in Ihrem Betrieb noch kein flexibles Arbeitszeitmodell, sollten Sie sich für dessen Einrichtung einsetzen. Das gilt gerade auch vor dem Hintergrund eines anstehenden Fachkräftemangels. Denn im Kampf um bestimmte Talente zählt am Ende auch das, was Ihr Arbeitgeber im Hinblick auf die Arbeitszeit zu bieten hat.

Bei der Einführung flexibler Arbeitszeiten gibt es auch für Sie als Betriebsrat einiges zu bedenken. Deshalb ist es wichtig, dass Sie konsequent richtig vorgehen. Dabei unterstützt Sie die folgende Schritt-für-SchrittAnleitung:

1. Schritt: Ist die Einführung flexibler Arbeitszeiten sinnvoll?

Bevor Sie an Ihren Arbeitgeber mit dem Begehren herantreten, flexible Arbeitszeiten einzuführen, sollten Sie zunächst prüfen, ob die Einführung überhaupt im Sinne Ihrer Kolleginnen und Kollegen ist. Stellen Sie sich dazu folgende Frage: Wünscht eine Mehrheit der Belegschaft mehr Flexibilität im Hinblick auf die Arbeitszeit?

Prüfen Sie, ob Ihr Arbeitgeber ein dringendes Interesse an der Einführung haben könnte, z. B. bedingt durch unregelmäßige Aufträge, die eine schwankende Auslastung nach sich ziehen. Unter Umständen liegt die Einführung dann auch im Interesse Ihrer Kollegen. Schließlich könnte sich Ihr Arbeitgeber sonst eventuell gezwungen sehen, Arbeitsplätze abzubauen.

2. Schritt: Welches Modell passt: Gleitzeit oder Arbeitszeitkonten?

Kennen Sie die Meinung der Belegschaft zu diesem Thema, überlegen Sie als Betriebsrat, welche Aspekte Sie als wichtig erachten. Legen Sie fest, welches Ziel eine auf Ihren Betrieb maßgeschneiderte Regelung haben soll. Suchen Sie im Anschluss nach einem entsprechend anzupassenden Modell.

Häufigstes Modell: Gleitzeit

Ihren Kollegen, die sich mehr Flexibilität wünschen, wird mit Gleitzeit am meisten geholfen sein. Das gilt zudem meist dann, wenn Ihr Arbeitgeber mit einer schwankenden Auslastung kämpft. Es gibt aber auch Situationen, in denen Arbeitszeitkonten sinnvoll sind. Für Ihren Arbeitgeber ist das z. B. der Fall, wenn er gerade vor der Herausforderung steht, viele Großaufträge abarbeiten zu müssen, die zwar für einen gewissen Zeitraum den vollen Arbeitseinsatz fordern, die Belegschaft aber nicht auf lange Sicht auslasten. Für Kolleginnen und Kollegen, die von einer längeren Auszeit profitieren wollen bzw. eventuell später einmal früher in den Ruhestand gehen möchten, bieten sich vor allem Langzeitarbeitskonten an.

Übersicht: Mögliche Arbeitszeitkonten

Kurzzeit-arbeitskontoIhr Arbeitgeber vereinbart mit Ihren Kollegen die Arbeitszeit für eine Woche oder einen Monat.
Langzeit-arbeitskontoDer Umfang der Arbeitszeit wird auf Halbjahres-oder Jahresbasis festgelegt. Der Kollege erhält eine gleichmäßige monatliche Vergütung, die der vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. Die Arbeitszeit kann auch auf bestimmte Monate oder Jahreszeiten festgelegt werden.
Ansparkonto für LebensarbeitszeitDiese Konten ermöglichen das Ansparen von über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden. Das Guthaben kann vom Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis z. B. für einen vorübergehenden Ausstieg aus dem Beruf – Sabbatical – oder bei gleich bleibendem Einkommen für einen vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand genutzt werden.

3. Schritt: Gespräch mit dem Arbeitgeber

Haben Sie als Betriebsrat sich im Gremium geeinigt, welche Lösung Sie anstreben, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber. Vereinbaren Sie mit ihm, wie lange Ihre Kollegen durchschnittlich pro Tag bzw. pro Woche für den Betrieb arbeiten sollen. Legen Sie fest, in welchem Zeitraum dieser Durchschnitt erreicht werden soll. Sorgen Sie dafür, dass er für jeden Beschäftigten ein Arbeitszeitkonto einrichtet. Darin wird festgehalten, wie viel mehr oder weniger als seine durchschnittliche Arbeitszeit jeder Einzelne an jedem Tag arbeitet.

In Zeiten von erhöhtem Arbeitsanfall arbeiten Ihre Kollegen länger und bauen sich so ein Zeitguthaben auf. Dieses können sie in Zeiten mit weniger Arbeitsanfall durch kürre tägliche Arbeitszeiten oder freie Tage wieder abbauen.

Arbeitszeitkonten korrekt einrichten

In der Regel wird Ihr Arbeitgeber die Arbeitszeitkonten einrichten. Die entsprechenden Bedingungen werden Sie aber zuvor mit ihm vereinbaren. Damit Sie dabei keine Fehler machen, lesen Sie hier die wichtigsten Fakten, auf die Sie achten sollten.

Zunächst müssen Sie sich abhängig von den von Ihnen angestrebten Zielen mit Ihrem Arbeitgeber darauf einigen, welche Art von Arbeitszeitkonto bzw. welche unterschiedlichen Formen angeboten werden sollten. Wie schon ausgeführt gibt es 3 verschiedene Arbeitszeitkonten: Kurzzeitarbeitskonto, Langzeitarbeitskonto sowie das Ansparkonto für Lebensarbeitszeit (siehe dazu nähere Erläuterung in der Übersicht links).

Ampelmodell ist beliebt

Eine gute Möglichkeit der Differenzierung bei Arbeitszeitkonten, die häufig genutzt wird, bietet das Ampelmodell.

Die Arbeitgeber nutzen das Ampelmodell gern, denn es gibt ihnen die Möglichkeit, die Arbeitszeit weiterhin zu steuern. So können sie sich einfach und schnell einen Überblick über die Arbeitszeiten verschaffen.

Das ist im Prinzip auch in Ihrem Interesse. Denn rutscht einer Ihrer Kollegen zu sehr ins Minus oder sammelt er zu viele Überstunden an, hilft das letztlich niemandem.

Übersicht: Ampelmodell

Grüne PhaseIhre Kollegen können innerhalb der vorgesehenen Bandbreite die Arbeitszeit selbst steuern.
Gelbe PhaseDer Zeitsaldo steht kurz davor, den vereinbarten Wert zu überschreiten. Ihr Arbeitgeber wird deshalb gemeinsam mit dem Kollegen nach einer Lösung suchen, um Abhilfe zu schaffen.
Rote PhaseDer Zeitsaldo ist überschritten. Ihr Arbeitgeber wird mit Ihrem Kollegen einen Weg vereinbaren, um die Minusstunden abzubauen. Er wird dessen Einhaltung zudem genau kontrollieren.

Als Betriebsrat sollten Sie deshalb darauf achten, dass die Parameter für die jeweiligen Ampelphasen sinnvoll vereinbart werden. Ihre Kolleginnen und Kollegen sollten einerseits nicht zu viele Minusstunden ansammeln. Schließlich müssen sie die Zeiten ja auch noch einmal nachholen können. Andererseits sollten sie aber auch nicht ständig Überstunden leisten. Denn sonst riskieren sie gesundheitliche Schäden. Andersherum stellt sich auch immer mal wieder die Frage, ob Ihr Arbeitgeber Auftragsmängel ausgleichen darf, indem er Plusstunden vom Arbeitszeitkonto abzieht. Schließlich ermöglichen Arbeitszeitkonten grundsätzlich einen längerfristigen Ausgleich des Arbeitszeitkontos. Das darf er allerdings nicht ohne Weiteres.

Eine Möglichkeit besteht, wenn ein anwendbarer Tarifvertrag die einseitige Entscheidung Ihres Arbeitgebers über die Verrechnung von Plusund Minusstunden erlaubt.

Tipp: Zur regelmäßigen Kontrolle verpflichten

Ich empfehle Ihnen, Ihren Arbeitgeber zu verpflichten, die Zeitguthaben und –schulden regelmäßig zu kontrollieren. Diskutieren Sie die möglichen Risiken zudem von vornherein stets offen mit ihm. Suchen Sie mit ihm gemeinsam nach Lösungen, diesen Gefahren angemessen zu begegnen. Setzen Sie z. B. Grenzen, indem Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber auf einen Stichtag einigen, an dem die Konten ausgeglichen sein müssen. Sorgen Sie außerdem dafür, dass er Guthaben nicht einfach kürzen oder verrechnen kann.

Besserer Schutz dank Flexi-II-Gesetz

Verwendet Ihr Arbeitgeber Arbeitszeitkonten, dann muss er weitere Regeln beachten. Und zwar die nach dem Flexi-II-Gesetz. Ein wichtiger Punkt ist dabei die bessere Insolvenzsicherung der Guthaben. Denn der Insolvenzschutz war früher lückenhaft. Die Arbeitgeber wurden durch das Gesetz verpflichtet, Guthaben auf Langzeitkonten gegenüber einer Insolvenz abzusichern, sobald ein Guthaben einschließlich der darin enthaltenen Sozialversicherungsbeiträge die monatliche Bezugsgröße von 3.115 € (West) und 2.870 € (Ost) überschreitet.

Übertragung des Wertguthabens auf ein Treuhandkonto

Die Insolvenzsicherung soll durch die Übertragung des Wertguthabens auf ein Treuhandkonto erfolgen, das nicht an Ihren Arbeitgeber zurückübertragen werden kann. Er kann allerdings mit Ihren Kollegen auch eine andere dem Treuhandverhältnis gleichwertige Sicherung vereinbaren, z. B. eine Versicherung, Verpfändung oder Bürgschaft.

Klären Sie mit Ihrem Arbeitgeber, welche Form der Insolvenzversicherung er vornimmt, und treffen Sie ggf. mit ihm eine kollektive Regelung. Ich rate Ihnen, auf jeden Fall aktiv vorzugehen.

Zeitguthaben werden als Wertguthaben geführt

Seit Inkrafttreten des Gesetzes werden die Zeitguthaben als Wertguthaben geführt. Das hat folgenden Hintergrund: Ein Arbeitnehmer ist und bleibt, wenn er Guthaben aus seinem Arbeitszeitkonto nimmt und nicht zur Arbeit erscheint, rechtlich gesehen weiterhin sozialversicherungspflichtig. Und zwar auch dann, wenn er für mehr als einen Monat von der Arbeit freigestellt wird. Das gilt jedenfalls, wenn

■          er in dieser Zeit Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben erhält, das er durch Vorarbeit aufgebaut hat,

■          die monatliche Vergütung ungefähr der monatlichen Vergütung der vorangegangenen 12 Monate entspricht und

■          der Aufbau des Wertguthabens schriftlich vereinbart wurde (§§ 7 Abs. 1a, 7b Sozialgesetzbuch IV).

Das hat für Ihren Arbeitgeber den Vorteil, dass er die Sozialversicherungsbeiträge in dem Monat abführen muss, in dem Ihr jeweiliger Kollege seine Vergütung erhält.

Checkliste: Flexible Arbeitszeiten sinnvoll eingeführt?

  • Hat sich die Anzahl der Überstunden im Betrieb insgesamt verringert?
  • Wurde die Fluktuation gesenkt?
  • Wurde die Motivation der Arbeitnehmer gesteigert?
  • Hat sich die Zufriedenheit der Belegschaft erhöht?
  • Hat sich die Außendarstellung des Betriebs verbessert?
  • Wurden dank der flexiblen Arbeitszeit freie Stellen erfolgreich besetzt und die neuen Kollegen in den Betrieb integriert?

Können Sie alle Fragen mit Ja beantworten, hat sich die Einführung auf jeden Fall gelohnt. Müssen Sie einzelne Fragen verneinen, prüfen Sie, welche Ursache das hat. Eventuell ist es auf betriebsspezifische Umstände zurückzuführen und hat in Ihrem Betrieb gar keine Auswirkungen auf den Erfolg Ihres Arbeitszeitmodells. Wenn nicht, bessern Sie ggf. nach.

© 10/2019 VNR AG

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