So bewahren Ihre Kollegen an heißen Tagen einen kühlen Kopf

29. Juli 2022

Lesezeit 3,5 Minuten

Hat Ihr Betrieb voll klimatisierte Büros? Dann kommen einige Kolleginnen und Kollegen schon allein deshalb gern zur Arbeit. Allerdings müssen sie auch durchhalten, wenn sie nicht in den Genuss einer Klimaanlage kommen. Sie müssen Ihren Job erledigen. Und das wird von Sommer zu Sommer schwieriger. Denn der Klimawandel ist inzwischen auch in Deutschland spürbar. In den vergangenen Jahren wurde ganz Deutschland immer irgendwann von einer Hitzewelle heimgesucht. In diesem Jahr hatten wir in einigen Regionen bereits extrem heiße Tage. Falls diese wieder kommen, sollte Ihr Arbeitgeber gewappnet sein. Sehen Sie es als Ihre Aufgabe als Betriebsrat, ihn dabei zu unterstützen. Im Folgenden lesen Sie deshalb, wie sinnvoller Hitzeschutz aussehen kann.

§ 4 ArbSchG

Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;

2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen; […].

Diese Grundsätze sollten Ihnen und Ihren Kollegen klar sein

Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitnehmer an heißen Tagen Hitzefrei wollen. Einen Anspruch darauf haben sie jedoch nicht. Damit Sie als Betriebsrat ab sofort wissen, wo Ihren Kolleginnen und Kollegen Grenzen gesetzt sind, fasse ich hier kurz die wichtigsten Grundsätze zusammen:

►  Sie haben keinen rechtlichen Anspruch auf ein klimatisiertes Büro.

►  Zudem haben sie keinen Anspruch darauf, ihren Arbeitsplatz bei großer Hitze ins Homeoffice oder an den Badesee zu verlegen. Wer dem Arbeitsplatz ohne vorherige Absprache fernbleibt, riskiert eine Abmahnung bzw. im Wiederholungsfall eine verhaltensbedingte Kündigung. Das gilt auch im Hinblick auf hohe Temperaturen im Büro. 

! Achtung: Ausnahmen bestätigen die Regel

Etwas anders sieht es allerdings aus, wenn Sie bzw. Ihre Kolleginnen und Kollegen vorzunehmende Maßnahmen, um die Hitze einzudämmen, zuvor erfolglos bei Ihrem Arbeitgeber angemahnt haben. Unternimmt er nichts, können Sie und Ihre Kollegen den Arbeitsplatz verlassen.

►  Für eine ausgedehnte Mittagspause werden an heißen Tagen fast alle Arbeitgeber Verständnis haben. Die dürfen Sie und Ihre Kollegen allerdings aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht dazu nutzen, z. B. um einen Badesee aufzusuchen.

►  Bekommen Ihre Kolleginnen und Kollegen aufgrund der heißen Temperaturen gesundheitliche Probleme, dürfen und sollten sie nicht mehr arbeiten. Ihr Arbeitgeber sollte sie arbeitsunfähig krank nach Hause entlassen.

Ab 26 °C muss Arbeitgeber für Kühlung sorgen

Es ist bereits angeklungen: Bei extremer Hitze lauern häufig Gefahren. Diese können gesundheitliche Probleme bei Ihren Kolleginnen und Kollegen auslösen. Dem muss Ihr Arbeitgeber etwas entgegensetzen. Denn er hat Ihnen und Ihren Kollegen gegenüber eine Fürsorgepflicht.

Diese gesetzlichen Regelungen muss Ihr Arbeitgeber beachten

§ 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet Ihren Arbeitgeber, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden wird und eventuell verbleibende Gefährdungen geringgehalten werden. Nach der Arbeitsstättenverordnung ist er verpflichtet, die Einhaltung einer der Gesundheit zuträglichen Raumtemperatur und den Schutz gegen übermäßige Sonneneinstrahlung in den Arbeitsräumen zu gewährleisten. Zudem enthält die Arbeitsstättenrichtlinie (ASR) Maßnahmen, die Ihr Arbeitgeber ergreifen muss.

ASR A3.5 „Raumtemperaturen“ regelt die Pflichten des Arbeitgebers bei Sommerhitze

1.  Bis 26 °C: Die Temperatur in den Räumen, in denen gearbeitet wird, soll 26 °C nicht überschreiten. Wie sich der Vorschrift bereits entnehmen lässt, handelt es sich dabei um eine Sollvorschrift. Ihr Arbeitgeber ist deshalb letztlich nicht gezwungen, diese Temperatur penibel einzuhalten. Höhere Temperaturen als 26 °C sind zulässig, wenn die Außentemperatur ebenfalls mindestens so hoch ist und Sonnenschutzmaßnahmen installiert sind (Markisen, Jalousien).

2.  Wenn es wärmer wird: Wird es in den Büros wärmer als 26 °C, sind technische Maßnahmen angebracht. Diese können z. B. in einer Nachtkühlung oder einer zusätzlichen Getränkeversorgung bestehen. Nicht benötigte technische Geräte müssen ab 30 °C abgeschaltet werden. Darüber hinaus sollen die Kolleginnen und Kollegen ab 30 °C vermehrt Gleitzeitregelungen nutzen können.

3.  Ab 35 °C die Arbeit einstellen: Grundsätzlich gilt: keine Arbeit bei 35 °C und mehr! Davon geht die ASR A3.5 aus. Bei mehr als 35 °C Raumtemperatur ist der Raum als Arbeitsraum nicht mehr geeignet, es sei denn, Ihr Arbeitgeber ergreift Schutzmaßnahmen.

Wenn es heiß wird: Gefährdungsbeurteilung durchführen

Es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen darüber, ob in einem Betrieb eine Gefährdung durch eine zu hohe Temperatur vorliegt oder nicht. Um dies festzustellen, ist Ihr Arbeitgeber gehalten, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.

►  Maßgeblich wird dabei in den Arbeitsräumen die vorhandene Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftzirkulation und Wärmestrahlung von technischen Geräten geprüft.

►  Außerdem muss bei einer solchen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden, welche Tätigkeiten die Kolleginnen und Kollegen ausüben.

►  Sie müssen auch je nach Einzelfall differenzieren: Ein Kollege am Schreibtisch wird mehr Wärme aushalten können als ein Kollege, der körperlich schwer arbeitet.

Tipp: Machen Sie sich ein eigenes Bild von den Gefährdungen

Als Betriebsrat können und sollten Sie Ihren Arbeitgeber bei der Gefährdungsbeurteilung unterstützen. Fragen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, wie es ihnen in den Räumlichkeiten bei der Arbeit ergeht. Versuchen Sie herauszufinden, ob sie sich wohlfühlen. Verschaffen Sie sich zudem selbst ein Bild vor Ort. Achten Sie dabei auf die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Luftzirkulation, Wärmestrahlung von Geräten usw.

Was zu tun ist, wenn die Raumtemperatur wirklich zu hoch ist

Stellt sich heraus, dass die Raumtemperatur in einem Bereich oder auch im gesamten Betrieb so hoch ist, dass das Risiko besteht, die Gesundheit von Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen zu gefährden, muss Ihr Arbeitgeber Gegenmaßnahmen ergreifen. Und zwar im technischen, organisatorischen und/oder personenbezogenen Bereich.

Tipp: Schalten Sie ggf. die Behörden ein

Missachtet Ihr Arbeitgeber seine diesbezügliche Pflicht, drohen Sie ihm damit, die Aufsichtsbehörde (z. B. das Gewerbeaufsichtsamt) zu informieren. Versuchen Sie aber, ihn zunächst im Rahmen eines Gesprächs zur Raison zu rufen. Der Gang zum Gewerbeaufsichtsamt sollte das letzte Mittel sein.

ASR

Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, genannt auch Arbeitsstättenrichtlinien (ASR), geben den Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder.

Diese Maßnahmen sind sinnvoll

►  Gibt es in Ihrem Betrieb eine funktionierende Klimaanlage, haben Sie es relativ leicht. In diesem Fall muss Ihr Arbeitgeber vor allem dafür sorgen, dass sich ein Unterschied von maximal 6 °C zur Außentemperatur ergibt. Andernfalls besteht die Gefahr eines Hitzeschocks beim Gang ins Freie.

►  Verfügt Ihr Betrieb nicht über eine Klimaanlage, können in den Büros Ventilatoren Abhilfe schaffen. Sorgen Sie zudem gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber dafür, dass Drucker und Computer sowie andere technische Geräte konsequent ausgeschaltet werden, wenn sie nicht benutzt werden, z. B. nach Feierabend.

►  Sorgen Sie zudem dafür, dass körperlich anstrengende Arbeiten in den kühleren Stunden des Tages erledigt werden, also vorzugsweise in den frühen Morgenstunden und gegen Abend.

►  Nutzen Sie die Nachtabkühlung, um die Temperatur in den Räumen zu senken. Sorgen Sie dafür, dass die Büros bzw. alle Arbeitsräume nachts gelüftet werden.

§ 5 Abs. 1 ArbSchG

Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

Sie als Betriebsrat können von Ihrem Arbeitgeber nicht konkret eine dieser Maßnahmen verlangen. Sie haben aber Anspruch darauf, dass er sich mit der Problematik auseinandersetzt und eine geeignete Maßnahme ergreift. Zudem haben Sie die Möglichkeit, eine Betriebsvereinbarung mit ihm zu diesem Thema zu schließen.

Tipp: Setzen Sie sich für kürzere Arbeitszeiten ein

Diskutieren Sie mit Ihrem Arbeitgeber auch reduzierte Arbeitszeiten. Dann sind Ihre Kolleginnen und Kollegen an heißen Tagen nicht gehalten, so lange in der Hitze auszuharren. Falls das nicht möglich sein sollte, sprechen Sie Ihren Arbeitgeber auf eine Vorverlegung des Arbeitsbeginns an.

Geben Sie diese Empfehlungen an Ihre Kollegen weiter

Die meisten Kolleginnen und Kollegen wissen es bereits. Dennoch sollten Sie als Betriebsrat sich nicht scheuen, sie darauf hinzuweisen, dass sie gerade in Hitzeperioden viel trinken sollten, vorzugsweise Wasser und ungesüßte Tees. Außerdem ist luftige, nicht eng anliegende Kleidung bei großer Hitze anzuraten.

Schritt für Schritt für Hitzeschutz sorgen

Wollen Sie in Ihrem Betrieb Hitzeschutz durchsetzen, gehen Sie am besten Schritt für Schritt wie folgt vor:

1.  Schritt: Temperatur überprüfen

Wenn Sie davon ausgehen, dass die Temperatur an Ihrem Arbeitsplatz zu hoch ist, messen Sie diese regelmäßig. Notieren Sie die jeweiligen Ergebnisse. Führen Sie zudem am besten mehrere Messungen über mehrere Tage (2 bis 3) verteilt durch. Dann sind die gemessenen Daten repräsentativer.

2.  Schritt: Arbeitgeber informieren

Stellen Sie fest, dass während der Arbeitszeit mehr als 26 °C erreicht werden, wenden Sie sich an den Arbeitgeber. Weisen Sie ihn auf die Notwendigkeit hin, Maßnahmen zur Senkung der Temperatur zu ergreifen.

3.  Schritt: Informationen bei Kollegen einholen

Fragen Sie parallel dazu konkret bei den Kolleginnen und Kollegen nach, ob sie unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden. Sollte es bei jemandem schon zu einer hitzebedingten Kreislaufschwäche gekommen sein, nutzen Sie diese Tatsache als Argument, Ihren Arbeitgeber zum Handeln zu bewegen. Informieren Sie zudem unbedingt den Betriebsarzt über den Vorfall.

4.  Schritt: Berufsgenossenschaft hinzuziehen

Lassen Sie sich von der Berufsgenossenschaft Faltblätter etc. zuschicken, in denen beschrieben ist, wie Arbeitnehmer richtig reagieren, wenn es zu hitzebedingten Gesundheitsschäden kommt.

Checkliste: Alles bedacht bei der Gefährdungsanalyse?

  • Wurden Gefährdungsanalysen nach § 5 ArbSchG durchgeführt?
  • Gibt es im Betrieb eine für die Durchführung von Gefährdungsanalysen zuständige Person?
  • Wenn ja, wer: Sicherheitsbeauftragter? Betriebsarzt? Arbeitsschutzausschuss? Sie als Betriebsrat?
  • Wenn ja, wie werden die Beschäftigten beteiligt: Fragebogen? Einzelgespräch? Gruppengespräch?
  • Wurde eine Person im Betrieb speziell zum ArbSchG qualifiziert?
  • Wenn ja, wer hat die Qualifikation durchgeführt: Berufsgenossenschaft? Privater Seminaranbieter?
  • Wurden bei der Durchführung der Analyse die entsprechenden Vorschläge der Berufsgenossenschaft berücksichtigt?
  • Werden Gefährdungen dokumentiert?
  • Gibt es verbindliche Vereinbarungen, wie die Gefährdungen beseitigt werden sollen?
  • Gibt es einen entsprechenden Zeitplan, bis wann das geschehen soll?
  • Wurden die Kolleginnen und Kollegen über die Ergebnisse der Analyse und die jeweiligen Schutzmaßnahmen unterrichtet?

Können Sie alle Fragen mit Ja beantworten, hat Ihr Arbeitgeber die wichtigsten Punkte berücksichtigt, die Sie bei der Durchführung einer Gefährdungsanalyse bedenken müssen.

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