Beim Hobeln fallen Späne. So gewissenhaft Sie und Ihre Kollegen auch arbeiten mögen, irgendwann unterläuft den meisten von Ihnen ein Fehler. Hat dieser nur geringe Auswirkungen, wird das kein Problem sein. Passiert Ihnen oder einem Ihrer Kollegen so etwas allerdings öfter oder verursachen Sie einen größeren Schaden, neigt Ihr Arbeitgeber vielleicht dazu, Sie bzw. den Verursacher zur Kasse zu bitten. Das ist allerdings nicht so ohne Weiteres möglich. Im Folgenden lesen Sie, wann Sie und Ihre Kollegen in die Haftung genommen werden können.
Grundsätzlich greift der Grundsatz der abgestuften Arbeitnehmerhaftung. Sie und Ihre Kollegen haften nur, wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:
Voraussetzungen für Haftung
Ein Kollege hat
■ eine vertragliche Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder
■ eine unerlaubte Handlung nach § 823 BGB begangen.
Beispiel:
Ein Außendienstler passt nicht auf und überfährt eine rote Ampel, dabei verursacht er einen Unfall.
Dadurch entsteht:
■ ein Sachschaden (Schaden an Gegenständen),
■ ein Vermögensschaden (reiner Geldschaden) oder
■ ein Personenschaden (eine Person wurde verletzt).
Beispiel:
Es kommt zu einem Unfall mit einem anderen Auto. Dadurch entsteht ein Sachschaden.
Des Weiteren muss die Pflichtverletzung oder unerlaubte Handlung für den Schaden ursächlich sein. Es muss also ein Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden bestehen. Ohne Pflichtverletzung gibt es keine Haftung.
Zu guter Letzt muss der Kollege außerdem für den Schaden verantwortlich sein. Er muss schuldhaft gehandelt haben.
Beweislast trägt der Arbeitgeber
Möchte Ihr Arbeitgeber einen Kollegen in Anspruch nehmen, muss er alle Voraussetzungen für eine Schadenersatzpflicht beweisen (§ 619a BGB). Dies gilt sowohl für die Pflichtverletzung und das Verschulden des Arbeitnehmers als auch für die Höhe des Schadens.
Sorgen Sie als Betriebsrat dafür, dass Ihre Kollegen nicht zu Unrecht in die Haftung genommen werden. Haben Sie sich dabei stets vor Augen: Ihr Arbeitgeber muss die Betroffenen belasten. Dabei können ihm allerdings Indizien helfen.
Beispiel:
Nur der im Fokus stehenden Arbeitnehmer hatte zum fraglichen Zeitpunkt Dienst.
Tipp: Empfehlen Sie allen Kolleginnen und Kollegen, solchen Situationen grundsätzlich vorzubauen. Raten Sie ihnen, alles aufzubewahren, was sie entlasten kann. Unterlagen, mit denen sie entsprechende Umstände nachweisen können, sind rechtzeitig und vollständig zu sichern.
Geht es um einen Autounfall, sollte ein betroffener Kollege grundsätzlich die Polizeiakte hinzuziehen. Unter Umständen findet sich darin entlastendes Material.
Grundsatz der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung prüfen
Als Betriebsrat sollten Sie im Zweifel den Grundsatz der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung prüfen. Dieser sieht vor, dass Sie und Ihre Kollegen in der Regel nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften. Das bedeutet Folgendes:
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
Definition: Hier lässt ein Arbeitnehmer das außer Acht, was im Normalfall jeder beachten würde.
Haftung: Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit muss der Arbeitnehmer grundsätzlich den gesamten Schaden allein tragen. Bei grob fahrlässigem Verhalten sind aber Haftungserleichterungen möglich.
Beispiel:
Ihr Kollege überfährt eine rote Ampel. Dadurch kommt es zu einem Unfall mit einem Sachschaden.
Kann einem Kollegen bei einem solchen Vorgehen sogar Absicht nachgewiesen werden, liegt Vorsatz vor.
Mittlere Fahrlässigkeit:
Definition: Von mittlerer Fahrlässigkeit ist auszugehen, wenn ein Verursacher schlicht unaufmerksam war, obwohl er einer Situation die volle Aufmerksamkeit hätte schenken müssen.
Haftung: Im Fall von mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer aufgeteilt.
Beispiel:
Ein Kollege betankt einen Dienstwagen falsch und verursacht dadurch einen Schaden.
Leichte Fahrlässigkeit
Definition: Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein objektiver Betrachter davon ausgeht, dass der Vorfall jedem passieren kann.
Haftung: Bei leichter Fahrlässigkeit haften Arbeitnehmer grundsätzlich nicht.
Beispiel:
Es handelt sich um eine leicht zu entschuldigende Pflichtwidrigkeit, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen könnte, so z. B., wenn sich ein Kollege in einer Situation verspricht bzw. vertippt und dadurch ein Schaden entsteht.
Die Haftung eines Arbeitnehmers ist grundsätzlich gegenüber dem Arbeitgeber, einem Arbeitskollegen und einem Dritten möglich.
Arbeitgeber können allerdings bei schweren Pflichtverletzungen dafür sorgen, dass sich der Fehler nicht wiederholt. Sie können dem Arbeitnehmer im Fall von schweren Pflichtverletzungen arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen.
Übersicht: Haftung je nach Verschuldensgrad
| Verschuldensgrad | Haftung des Arbeitnehmers |
| Vorsatz | Hier greift die uneingeschränkte Haftung. |
| Grobe Fahrlässigkeit | In der Regel haftet der Kollege uneingeschränkt; Haftungserleichterung gibt es nur im Einzelfall. |
| Mittlere Fahrlässigkeit | Schaden wird im Verhältnis zu Verschulden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt. |
| Leichte Fahrlässigkeit | Es besteht keine Haftung des Mitarbeiters. |
Innerbetrieblicher Schadenausgleich
Je nach Konstellation des Einzelfalls findet ein innerbetrieblicher Schadenausgleich statt. Das heißt: Unter Umständen ist Ihr Arbeitgeber an einem Schaden, den ein Arbeitnehmer verursacht hat, zu beteiligen.
Beim innerbetrieblichen Schadenausgleich wird die Haftung durch den Verschuldensgrad bestimmt.
! ACHTUNG
Der Schaden muss durch den Kollegen bei einer betrieblichen Tätigkeit verursacht worden sein.
Umfang der Haftung
In welcher Höhe ein Arbeitnehmer für einen entstandenen Schaden haftbar gemacht werden kann, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, z. B.:
■ Gefahr, die von der jeweiligen Tätigkeit ausgeht,
■ Höhe des Schadens,
■ Arbeitsbelastung der Arbeitnehmer,
■ Dauer der Betriebszugehörigkeit,
■ Berufserfahrung der Arbeitnehmer,
■ Fachwissen des Arbeitnehmers.
Wann ein Mitverschulden Ihres Arbeitgebers in Betracht kommt
Hat Ihr Arbeitgeber einen Schaden durch mangelnde Organisation oder fehlerhafte Anweisungen mitverschuldet, muss er sich bei der Berechnung der Haftungsquote einen Mitverschuldensanteil zurechnen lassen (§ 254 BGB). Ein Mitverschulden kann ihn auch dann treffen, wenn er Sie und Ihre Kollegen überfordert oder aus Kostengründen auf schlechtes Material setzt. Außerdem kann ein Verschulden der Führungskräfte die Haftungsquote erhöhen (§ 254 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Tipp: Erinnern Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Fall eines Schadeneintritts, ein mögliches Mitverschulden Ihres Arbeitgebers zu prüfen. Das kann ihnen viel Geld sparen.
Beispiele für Mitverschulden
■ Ihr Arbeitgeber lässt notwendige Untersuchungen und Reparaturen nicht durchführen.
■ Ihr Arbeitgeber führt Arbeits- und Sicherheitsunterweisungen nicht durch, zu deren Durchführung er verpflichtet ist.
■ Ihr Arbeitgeber organisiert die Arbeit insgesamt mangelhaft. Das ist z. B. der Fall, wenn er sein Personal nicht ordnungsgemäß einweist.
■ Ihr Arbeitgeber stellt Material zur Verfügung, das bereits bei der Ausgabe beschädigt war.
■ Die Höchstarbeitszeit war überschritten, als ein Schaden eintrat. Ihr Arbeitgeber ist nicht dagegen vorgegangen.
Wenn ein Auszubildender einen Schaden verursacht
Die hier angesprochenen Haftungsquoten gelten grundsätzlich auch für Auszubildende (§ 3 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz). Bei der Bestimmung der Haftungsquote sind allerdings die individuellen Möglichkeiten des einzelnen Auszubildenden zu berücksichtigen.
Es ist deshalb zu prüfen, ob der jeweilige Azubi seinen Fehler hätte überhaupt bemerken können bzw. müssen. Dabei kommt es letztlich sowohl auf die Erfahrung als auch auf die tatsächliche geistige Reife des Schadenverursachers an.
Tipp: Für minderjährige Auszubildende gilt: Sie sind nach § 828 Abs. 3 BGB nur dann verantwortlich, wenn sie die erforderliche Einsicht in die Erkenntnis ihrer Verantwortlichkeit haben, also entsprechend reif sind.
Wenn ein Kollege gegen Schäden versichert ist
Verfügt eine Kollegin oder ein Kollege über eine Versicherung, die für den Schaden eintritt, wirkt sich dies nicht haftungserhöhend aus. Es bleibt also bei der ermittelten Haftungsquote.
Anders sieht es allerdings mit einer Versicherung aus, die Ihr Arbeitgeber für den Schadenfall abgeschlossen hat. Eine solche Versicherung muss er zunächst in Anspruch nehmen. Lediglich im Fall einer vereinbarten Selbstbeteiligung kann Ihr Arbeitgeber laut Landesarbeitsgericht (LAG) Köln dann Ihren Kollegen in Anspruch nehmen (27.1.2011, Az. 7 Sa 802/10). Die Versicherung soll demnach immer vor Ihrem Kollegen mit der Schadenregulierung einspringen.
Eine Versicherung zugunsten Ihres Arbeitgebers wirkt sich zudem auf die Haftungsquote aus. Er ist zwar nicht verpflichtet, zugunsten der Arbeitnehmer eine teure Kaskoversicherung abzuschließen.
Hätte er aber die Möglichkeit zum Abschluss einer solchen Versicherung, die den Arbeitnehmer nicht in Regress nimmt, dann haftet der betroffene Kollege nur in Höhe einer ggf. zu tragenden Selbstbeteiligung (LAG Rheinland-Pfalz, 26.3.2012, Az. 5 Sa 655/11).
Ermittlung des Mitverschuldensanteils
Wird einer Ihrer Kollegen von Ihrem Arbeitgeber mit einem Schadenersatzanspruch konfrontiert, wird er sich häufig zunächst an Sie wenden. Als Betriebsrat sollten Sie mit dem Betroffenen gemeinsam Schritt für Schritt prüfen, ob er überhaupt in die Haftung genommen werden kann. Kommen Sie zu dem Ergebnis, dass eine Haftung besteht, sollten Sie versuchen, gemeinsam die Mitverschuldensanteile festzustellen. Wie Sie dazu vorgehen sollten, können Sie aus der Übersicht unten entnehmen.
Kommen Sie nach einer solchen Prüfung zu dem Schluss, dass Ihr Kollege aller Wahrscheinlichkeit nach haften wird, überlegen Sie mit ihm gemeinsam, ob eine gütliche Einigung zwischen ihm und dem Arbeitgeber sinnvoll ist. Meist ist das so. Denn dabei zeigt jede Seite guten Willen. Das ist auch für das Beschäftigungsverhältnis auf längere Sicht von Vorteil.
Übersicht: Schritt für Schritt die Haftung prüfen
| Prüfpunkte | Erklärung |
| Hat der im Fokus stehende Kollege eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen? | Voraussetzung ist, dass es sich um eine betriebsbezogene Pflichtverletzung handelt. |
| Liegt Vorsatz oder grobe/mittlere Fahrlässigkeit vor? | Falls nein, dann haftet der Kollege nicht. |
| Ist ein ersatzfähiger Schaden eingetreten und beweisbar? | Hier gilt es, Indizien zur Entlastung zu sammeln. Je besser sich Ihr Kollege entlasten kann, desto weniger haftet er. |
| Hat der Arbeitgeber den Schaden mitverursacht und trifft ihn deshalb eine Mitschuld? | Das schmälert den Anspruch oder schließt ihn sogar ganz aus. |
| Liegt eine Haftungsbeschränkung vor? | Denken Sie hier an den innerbetrieblichen Schadenausgleich. |
© 01/2018 VNR AG
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