Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind in der digitalen Ära praktisch verschwunden. Smartphones, Laptops und ständige Internetverbindung haben die Arbeitszeit in der digitalen Arbeitswelt grundlegend verändert. Was einst klar getrennt war – Arbeitsplatz und Zuhause, Bürozeiten und Feierabend – vermischt sich heute zu einem kontinuierlichen Erreichbarkeitszustand, der viele Beschäftigte belastet.
Für Betriebsräte ergeben sich daraus neue Herausforderungen und Handlungsfelder. Sie müssen die Rechte der Arbeitnehmer in einer Welt schützen, in der traditionelle Arbeitszeitregelungen an ihre Grenzen stoßen. Die Frage nach einem „Recht auf Nichterreichbarkeit“ wird dabei immer drängender.
In anderen Ländern wie Australien gibt es bereits das „right to disconnect“, bei dem Beschäftigte in der Freizeit nicht für den Arbeitgeber erreichbar sein müssen. Auch das EU-Parlament fordert von der europäischen Kommission einen Entwurf für ein Recht auf Nichterreichbarkeit für Beschäftigte. In Deutschland hingegen fehlen noch entsprechende gesetzliche Regelungen.
Mitbestimmungsrechte bei der digitalen Erreichbarkeit
Obwohl es in Deutschland noch kein gesetzliches Recht auf Nichterreichbarkeit gibt, haben Betriebsräte durchaus Handlungsmöglichkeiten. Die Arbeitszeit in der digitalen Arbeitswelt unterliegt nach wie vor den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und den Mitbestimmungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz.
Die ständige Erreichbarkeit in der Arbeitswelt ist durch Smartphones zur Selbstverständlichkeit geworden, doch das bedeutet nicht, dass Arbeitnehmer rechtlos sind. Betriebsräte können in verschiedenen Bereichen tätig werden:
Betriebsvereinbarungen zur E-Mail-Nutzung: Regelungen darüber, wann und wie oft berufliche E-Mails außerhalb der Arbeitszeit beantwortet werden müssen, können in Betriebsvereinbarungen festgelegt werden. Dabei können Ruhezeiten definiert werden, in denen keine E-Mails versendet oder beantwortet werden.
Smartphone- und Laptop-Nutzung: Die Bereitstellung von Firmenhandys und -laptops ist oft mit der unausgesprochenen Erwartung verbunden, jederzeit erreichbar zu sein. Betriebsräte können hier klare Regelungen aushandeln, die festlegen, wann und für welche Zwecke diese Geräte genutzt werden dürfen.
Bereitschaftszeiten und Rufbereitschaft: Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass es bei bestehender Rufbereitschaft im Arbeitsverhältnis kein generelles Recht auf Nichterreichbarkeit gibt. Dennoch können Betriebsräte die Bedingungen und Vergütung von Bereitschaftsdiensten mitgestalten.
Schutz der Arbeitszeit in der digitalen Arbeitswelt durch Betriebsvereinbarungen
Die Praxis zeigt, dass gut durchdachte Betriebsvereinbarungen ein wirksames Instrument sein können, um die Arbeitszeit in der digitalen Arbeitswelt zu regulieren. Erfolgreiche Vereinbarungen enthalten oft folgende Elemente:
Kernarbeitszeiten und E-Mail-freie Zeiten: Viele Unternehmen haben bereits Regelungen eingeführt, nach denen E-Mails nur während der regulären Arbeitszeiten versendet werden dürfen. Automatische E-Mail-Weiterleitungen können so programmiert werden, dass sie außerhalb der Arbeitszeit keine Nachrichten übertragen.
Notfallregelungen: Für wirklich dringende Fälle können separate Kommunikationswege definiert werden, die nur in echten Notfällen genutzt werden dürfen. Dies verhindert, dass jede E-Mail als „dringend“ eingestuft wird.
Führungskräfteschulungen: Die Sensibilisierung von Führungskräften für die Belastung durch ständige Erreichbarkeit ist ein wichtiger Baustein. Betriebsräte können entsprechende Schulungsmaßnahmen einfordern.
Ausgleichsregelungen: Wenn Beschäftigte außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit tätig werden müssen, sollten klare Ausgleichsregelungen bestehen – sei es durch Freizeitausgleich oder Vergütung von Überstunden.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellt umfangreiche Informationen zu Arbeitszeit und Arbeitnehmerschutz zur Verfügung, die Betriebsräte bei ihrer Arbeit unterstützen können.

Praktische Umsetzung und Herausforderungen
Die Umsetzung von Regelungen zur digitalen Erreichbarkeit bringt praktische Herausforderungen mit sich. Betriebsräte müssen dabei verschiedene Aspekte berücksichtigen:
Homeoffice und mobile Arbeit: Die Arbeitszeit in der digitalen Arbeitswelt wird besonders im Homeoffice zur Herausforderung. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen privatem und beruflichem Bereich noch stärker. Betriebsvereinbarungen sollten klare Regelungen für die Heimarbeit enthalten.
Internationale Teams: In global agierenden Unternehmen arbeiten Teams oft über verschiedene Zeitzonen hinweg. Hier sind differenzierte Lösungen erforderlich, die sowohl die Geschäftsanforderungen als auch die Belange der Beschäftigten berücksichtigen.
Branchenspezifische Besonderheiten: In manchen Branchen ist eine gewisse Erreichbarkeit unvermeidlich – etwa im Gesundheitswesen oder bei IT-Services. Betriebsräte müssen realistische und praktikable Lösungen finden.
Kontrollmechanismen: Die Einhaltung von Vereinbarungen zur digitalen Erreichbarkeit muss überwacht werden können. Dies erfordert oft technische Lösungen und klare Berichtswege.
Die Deutsche Gewerkschaftsbund unterstützt Betriebsräte mit Materialien und Beratung bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen zur digitalen Erreichbarkeit.
Rechtliche Absicherung: Betriebsvereinbarungen zur digitalen Erreichbarkeit müssen rechtssicher formuliert werden. Eine juristische Prüfung ist oft sinnvoll, um sicherzustellen, dass die Vereinbarungen auch vor Gericht Bestand haben.
Fazit: Proaktiv handeln für gesunde Digitalarbeit
Die Arbeitszeit in der digitalen Arbeitswelt erfordert neue Ansätze im Arbeitnehmerschutz. Auch ohne gesetzliches Recht auf Nichterreichbarkeit können Betriebsräte wirksame Maßnahmen ergreifen, um ihre Belegschaft vor digitaler Überlastung zu schützen.
Der Schlüssel liegt in gut durchdachten Betriebsvereinbarungen, die sowohl die Bedürfnisse der Beschäftigten als auch die betrieblichen Anforderungen berücksichtigen. Dabei geht es nicht darum, die digitale Transformation zu blockieren, sondern sie menschengerecht zu gestalten.
Betriebsräte, die frühzeitig handeln und proaktiv Regelungen zur digitalen Erreichbarkeit aushandeln, schaffen nicht nur bessere Arbeitsbedingungen für ihre Belegschaft, sondern tragen auch zur langfristigen Gesundheit und Produktivität der Beschäftigten bei. Die Arbeitszeit in der digitalen Arbeitswelt muss nicht zur Belastung werden – mit den richtigen Regelungen kann sie sogar zu mehr Flexibilität und Zufriedenheit führen.
Die Zeit für Veränderungen ist jetzt: Nutzen Sie Ihre Mitbestimmungsrechte und gestalten Sie die digitale Arbeitswelt aktiv mit. Ihre Beschäftigten werden es Ihnen danken.

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