Die Pflicht zur systematischen Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland längst Realität. Spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2019 und der folgenden Konkretisierung durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) besteht die Verpflichtung für Arbeitgeber, die gesamte Arbeitszeit der Beschäftigten lückenlos zu erfassen. Mit Blick auf den Jahreswechsel 2025/2026 und die erwarteten finalen gesetzlichen Regelungen rückt die Frage nach dem Wie– sprich der elektronischen Arbeitszeiterfassung – in den Mittelpunkt.
Für Betriebsräte beginnt jetzt die heiße Phase. Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um die Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems. Da die Gesetzgebung voraussichtlich ab 2026 konkrete Anforderungen an die digitale Erfassung stellt, müssen Betriebe, die noch auf Papier oder Excel setzen, schnell handeln. Der Betriebsrat hat dabei zwingende Mitbestimmungsrechte. Er kann und muss sicherstellen, dass das neue System der Zeiterfassung nicht zur reinen Überwachung wird, sondern dem Gesundheitsschutz dient. Nur durch eine rechtzeitige und fundierte Betriebsvereinbarung lassen sich die Rechte der Belegschaft wahren.
Die zentrale Rolle des Betriebsrats bei der elektronischen Arbeitszeiterfassung
Die Einführung und konkrete Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung unterliegt der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Dieser Paragraf regelt das Mitspracherecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Ein elektronisches Zeiterfassungssystem erfüllt diese Definition eindeutig, da es Daten darüber sammelt, wann und wie lange jemand gearbeitet hat.
Das Mitbestimmungsrecht ist erzwingbar. Das bedeutet: Ohne eine Einigung mit dem Betriebsrat darf der Arbeitgeber kein neues Zeiterfassungssystem einführen. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet die Einigungsstelle.
Für den Betriebsrat ergeben sich hieraus wichtige Hebel zur Gestaltung der Arbeitszeiterfassung:
- Datenschutz und Transparenz: Es muss klar geregelt werden, welche Daten das System speichert, wie lange sie aufbewahrt werden und wer Zugriff darauf hat. Der Betriebsrat muss sicherstellen, dass die Daten nur zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten (Arbeitsschutz, Lohnabrechnung) genutzt werden und nicht zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle missbraucht werden.
- Umgang mit mobiler Arbeit: Gerade für Außendienstmitarbeiter oder im Homeoffice muss die Erfassung der Arbeitszeit praktikabel sein. Eine Betriebsvereinbarung sollte festlegen, welche digitalen Tools (App, Web-Tool) genutzt werden und wie die Dokumentation der Pausen erfolgt.
- Definition der Arbeitszeit: Die Betriebsvereinbarung zur Zeiterfassung muss definieren, was als Arbeitszeit gilt. Das betrifft z.B. Rüstzeiten, Bereitschaftsdienste oder notwendige Reisezeiten.
Ziel des Betriebsrats muss es sein, eine rechtssichere Lösung zu finden, die den Arbeitsschutz stärkt. Die genauen gesetzlichen Pflichten zur Dokumentation von Arbeitszeiten finden Sie beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).
Schutz vor Überwachung und die Gestaltung der Vertrauensarbeitszeit
Eine häufige Befürchtung bei der Einführung einer digitalen Arbeitszeiterfassung ist das Ende der Vertrauensarbeitszeit. Dies muss nicht der Fall sein. Die Vertrauensarbeitszeit basiert auf der eigenverantwortlichen Verteilung der Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer – das bedeutet jedoch nicht, dass die Dokumentationspflicht entfällt.
Der Betriebsrat kann in der Betriebsvereinbarung klar regeln, wie Vertrauensarbeitszeit und gesetzliche Pflichten in Einklang gebracht werden. Denkbare Regelungen sind:
- Fokus auf Anfang und Ende: Die Arbeitszeiterfassung muss lediglich den Beginn, das Ende und die Pausen erfassen. Wie die Arbeit zwischen diesen Zeiten erledigt wird, bleibt unkontrolliert.
- Ausschluss der Leistungsdaten-Nutzung: Der Betriebsrat kann vertraglich festschreiben, dass die erhobenen Daten ausschließlich dem Arbeitsschutz (Kontrolle der Höchstarbeitszeit und Ruhepausen) und der Entgeltabrechnung dienen. Eine Nutzung zur individuellen Leistungsbewertung wird ausgeschlossen.
- Möglichkeit zur Selbstkorrektur: Arbeitnehmer müssen die Möglichkeit haben, ihre Zeitaufzeichnungenselbständig und unbürokratisch zu korrigieren.
Die Herausforderung im Übergang zu 2026 besteht darin, dass viele Unternehmen befürchten, bei Nichteinführung eines Systems haftbar zu werden. Das setzt den Betriebsrat unter Zeitdruck. Er sollte sich durch eine Schulung oder die Hinzuziehung externer Sachverständiger die nötige Expertise aneignen, um auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung zu verhandeln.

Vorbereitung für 2026: Ein Fahrplan für den Betriebsrat
Die Zeit drängt, da ein neues Zeiterfassungssystem vor der finalen Einführung zum 1. Januar 2026 getestet und geschult werden muss. Um rechtzeitig handlungsfähig zu sein, sollte der Betriebsrat folgende Schritte auf die Agenda setzen:
- Informationsphase (Jetzt): Einholen von Informationen über die geplanten Systeme des Arbeitgebers (biometrisch, App-basiert, Terminal?). Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bietet klare Grundlagen für die Informationsrechte des Betriebsrats.
- Verhandlungsauftrag definieren: Klare Prioritäten festlegen: Datenschutz, Ausschluss der Leistungsüberwachung, Regelungen für mobiles Arbeiten.
- Betriebsvereinbarung (bis Ende Q4 2025): Die Verhandlung über die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung muss abgeschlossen sein. Der BR muss alle Aspekte der Nutzung, Speicherung und Auswertung regeln.
- Schulung und Testphase (Anfang 2026): Der BR muss die Schulungen für die Belegschaft begleiten und auf die Einhaltung der vereinbarten Regelungen in der Testphase achten.
Ein gut vorbereiteter Betriebsrat kann die Umstellung auf die elektronische Arbeitszeiterfassung aktiv gestalten. Er verwandelt eine Compliance-Pflicht in einen Gewinn für den Arbeitsschutz und die Transparenz im Betrieb.
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