4-Tage-Woche: Wie Betriebsräte das Modell der Zukunft verhandeln können

05. November 2025
Kalender zeigt 4-Tage-Woche mit markiertem freien Tag für bessere Work-Life-Balance

Die 4-Tage-Woche ist längst kein utopisches Zukunftsmodell mehr, sondern eine ernstzunehmende Alternative zur klassischen Fünf-Tage-Arbeitswoche. Was in Ländern wie Island oder Belgien bereits erfolgreich erprobt wurde, gewinnt auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Pilotprojekte zeigen beeindruckende Ergebnisse: Beschäftigte sind zufriedener, gesünder und oft sogar produktiver. Für Betriebsräte eröffnet sich hier eine historische Chance, die Arbeitswelt nachhaltig zu gestalten und echte Verbesserungen für die Belegschaft zu erreichen. Doch wie lässt sich die Vier-Tage-Woche konkret verhandeln? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten, und welche Argumente überzeugen die Arbeitgeberseite? Dieser Beitrag zeigt praxisnah, wie Betriebsräte das Modell der verkürzten Arbeitswoche erfolgreich durchsetzen können – von der ersten Idee bis zur rechtssicheren Betriebsvereinbarung.

Rechtliche Grundlagen: Mitbestimmungsrechte bei der 4-Tage-Woche nutzen

Wenn ein Betriebsrat die Einführung einer 4-Tage-Woche anstrebt, stellt sich zunächst die Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bietet hier wichtige Ansatzpunkte. Besonders relevant ist § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, der dem Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einräumt. Auch die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage fällt in diesen Bereich.

Allerdings gibt es eine wichtige Einschränkung: Die Gesamtarbeitszeit pro Woche ist in vielen Betrieben durch Tarifverträge festgelegt. Liegt beispielsweise eine tarifliche 40-Stunden-Woche zugrunde, kann der Betriebsrat nicht einseitig über die Einigungsstelle eine Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden durchsetzen. Hier ist die Verhandlung mit dem Arbeitgeber entscheidend. Der Betriebsrat kann jedoch ein Initiativrecht nutzen und konkrete Vorschläge für flexible Arbeitszeitmodelle einbringen.

Eine erfolgversprechende Strategie besteht darin, zunächst Pilotprojekte in einzelnen Abteilungen vorzuschlagen. Dies reduziert das Risiko für den Arbeitgeber und ermöglicht eine wissenschaftliche Begleitung der Maßnahme. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert derzeit verschiedene Projekte zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung, deren Ergebnisse als Argumentationsgrundlage dienen können.

Entscheidend ist auch die Frage des Lohnausgleichs. Eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ist das attraktivste Modell für Beschäftigte, erfordert aber überzeugende wirtschaftliche Argumente. Hier sollten Betriebsräte auf Produktivitätsstudien verweisen, die zeigen, dass kürzere Arbeitszeiten oft durch höhere Effizienz und geringere Krankheitsquoten kompensiert werden.

Betriebsrat hat 4-Tage-Woche am Konferenztisch mit Arbeitgeber und Dokumenten verhandelt

Argumente für die verkürzte Arbeitswoche: Mit Fakten überzeugen

Die erfolgreiche Durchsetzung einer 4-Tage-Woche steht und fällt mit überzeugenden Argumenten. Betriebsräte sollten sich nicht allein auf das Wohlbefinden der Belegschaft berufen, sondern auch betriebswirtschaftliche Vorteile herausstellen.

Produktivität und Effizienz: Internationale Studien belegen eindrucksvoll, dass Beschäftigte in einer Vier-Tage-Woche nicht proportional weniger leisten. Im Gegenteil: Durch konzentrierteres Arbeiten, weniger Ablenkung und höhere Motivation bleibt die Produktivität oft konstant oder steigt sogar. Unproduktive Meetings und ineffiziente Prozesse werden automatisch hinterfragt, wenn weniger Zeit zur Verfügung steht.

Gesundheit und Krankheitsquoten: Burnout, Erschöpfung und stressbedingte Erkrankungen kosten Unternehmen Millionen. Eine zusätzliche Erholungsphase pro Woche wirkt präventiv. Langfristig können Fehlzeiten reduziert und die psychische Gesundheit der Belegschaft gestärkt werden.

Attraktivität als Arbeitgeber: Im Wettbewerb um Fachkräfte ist die Work-Life-Balance ein entscheidendes Argument. Unternehmen, die innovative Arbeitszeitmodelle anbieten, positionieren sich als moderne, mitarbeiterfreundliche Arbeitgeber. Dies erleichtert die Rekrutierung und senkt die Fluktuation.

Ökologische Vorteile: Ein zusätzlicher freier Tag reduziert Pendelverkehr und damit CO₂-Emissionen. Für Unternehmen mit Nachhaltigkeitszielen ist dies ein zusätzliches Argument.

Betriebsräte sollten diese Argumente mit konkreten Zahlen unterfüttern. Eine interne Befragung der Belegschaft zu Belastungen, Wünschen und Erwartungen liefert wertvolle Daten. Auch Vergleiche mit Unternehmen, die bereits erfolgreich auf verkürzte Arbeitszeiten umgestellt haben, können die Argumentation stärken.

Von der Idee zur Betriebsvereinbarung: Der Weg zum erfolgreichen Modell

Die praktische Umsetzung einer 4-Tage-Woche erfordert sorgfältige Planung und klare Vereinbarungen. Betriebsräte sollten den Prozess strategisch angehen und folgende Schritte beachten:

Schritt 1: Belegschaftsbefragung und Interessenanalyse Bevor konkrete Verhandlungen beginnen, sollte ermittelt werden, wie groß das Interesse in der Belegschaft tatsächlich ist. Nicht alle Beschäftigten bevorzugen das gleiche Modell. Während manche eine Vier-Tage-Woche mit längeren Arbeitstagen (z.B. 4 x 10 Stunden) präferieren, wünschen andere eine echte Arbeitszeitverkürzung. Diese Präferenzen sollten erfasst und in das Konzept einbezogen werden.

Schritt 2: Pilotphase vereinbaren Ein zeitlich befristetes Pilotprojekt reduziert Widerstände und ermöglicht eine objektive Bewertung. Idealerweise wird eine Abteilung oder Berufsgruppe ausgewählt, bei der die Umsetzung besonders vielversprechend erscheint. Die Pilotphase sollte mindestens sechs Monate dauern und wissenschaftlich begleitet werden, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.

Schritt 3: Betriebsvereinbarung ausarbeiten Eine rechtssichere Betriebsvereinbarung muss zahlreiche Details regeln:

  • Welche Beschäftigtengruppen sind einbezogen?
  • Wie wird die Arbeitszeit verteilt (4 x 10 Stunden oder Arbeitszeitverkürzung)?
  • Erfolgt ein voller Lohnausgleich?
  • Wie werden Gleitzeitguthaben und Überstunden gehandhabt?
  • Welche Regelungen gelten für Teilzeitbeschäftigte?
  • Wie wird die Erreichbarkeit am freien Tag geregelt?
  • Gibt es Opt-out-Möglichkeiten für Beschäftigte?

Die Vereinbarung sollte auch Evaluationskriterien und einen Überprüfungszeitpunkt festlegen. So kann nach der Pilotphase datenbasiert entschieden werden, ob und wie das Modell fortgeführt wird.

Schritt 4: Kommunikation und Begleitung Die Einführung einer verkürzten Arbeitswoche ist eine kulturelle Veränderung, die professionelle Kommunikation erfordert. Betriebsräte sollten regelmäßige Informationsveranstaltungen organisieren, Feedback einholen und als Ansprechpartner für Fragen zur Verfügung stehen. Auch die Führungskräfte müssen eingebunden werden, da sie das Modell im Arbeitsalltag umsetzen.

Fazit: Die 4-Tage-Woche als Zukunftsprojekt

Die 4-Tage-Woche ist mehr als ein Trend – sie ist eine Antwort auf die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt. Betriebsräte, die dieses Modell aktiv vorantreiben, positionieren sich als zukunftsorientierte Interessenvertretung und setzen ein Zeichen für eine menschengerechte Arbeitszeitgestaltung. Der Weg dorthin erfordert strategisches Vorgehen, überzeugende Argumente und die Bereitschaft zu pragmatischen Kompromissen. Doch die Mühe lohnt sich: Eine erfolgreich eingeführte Vier-Tage-Woche verbessert die Lebensqualität der Beschäftigten, stärkt die Gesundheit und macht das Unternehmen attraktiver für Fachkräfte. Mit den richtigen Mitbestimmungsrechten, fundierten Fakten und einer klar strukturierten Verhandlungsstrategie können Betriebsräte dieses zukunftsweisende Arbeitszeitmodell erfolgreich etablieren.

4 Tage Woche Arbeitszeit
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