Fragen und Probleme rund um das Thema Urlaub sind ein Dauerbrenner zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. Immer wieder landen Angelegenheiten auch vor Gericht. Kürzlich war sogar der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gefragt. Der Generalanwalt hat dabei die deutschen Regelungen geprüft und sich für eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte ausgesprochen.
Abgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach Eintritt des Todes
Der Generalanwalt hatte über unterschiedliche Verfahren zum Thema Urlaub zu entscheiden: In den ersten beiden Fällen ging es darum, ob die Beantragung des Urlaubs notwendige Voraussetzung für den Abgeltungsanspruch für nicht genommenen Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist (EuGH, 29.5.2018, Az. C-619/16 und Az. C-684/16). In einem 3. Fall stritten die Erben ehemaliger Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber darüber, ob ihnen ein Abgeltungsanspruch zusteht (siehe Seite 2 unten).
Arbeitnehmer verlangt Abgeltung nach Ende des Referendariats
Fall 1: Der Arbeitnehmer, ein Rechtsreferendar, beantragte nach Beendigung seines Referendariats bei seinem Arbeitgeber, dem Land Berlin, eine finanzielle Abgeltung für den von ihm nicht beanspruchten Jahresurlaub.
Damit hatte er jedoch keinen Erfolg. Der Antrag wurde abgelehnt. Und zwar mit der Begründung, dass die geltende deutsche Regelung der Verordnung über den Erholungsurlaub von Beamten und Richtern dies nicht vorsehe. Nach dieser Regelung erlösche der Anspruch am Ende des Beschäftigungszeitraums, wenn der Arbeitnehmer während der Zeit davor keinen Urlaub beantragt habe. Das habe wiederum zur Folge, dass auch kein Abgeltungsanspruch bestehe.
Damit gab sich der Rechtsreferendar nicht zufrieden. Er zog vor das zuständige Oberverwaltungsgericht. Dieses leitete ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH ein. Damit wollte es klären lassen, ob die Vorschriften der EU der deutschen Gesetzgebung insoweit entgegenstehen.
Arbeitnehmer verlangt Abgeltung, als befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert wird
Fall 2: In einem parallel zu diesem Verfahren verhandelten Fall ging es um einen Arbeitnehmer, der mehr als 10 Jahre aufgrund unterschiedlicher befristeter Arbeitsverträge bei der Max-Planck-Gesellschaft beschäftigt war. Im Oktober 2013 teilte ihm sein Arbeitgeber mit, dass sein befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert werde. Parallel dazu forderte er ihn auf, seinen Resturlaub vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nehmen.
Der Arbeitnehmer nahm in den verbleibenden Wochen allerdings nur 2 Tage Urlaub. Nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses forderte er den Arbeitgeber deshalb auf, ihm die nicht genommenen 51 Tage Resturlaub abzugelten. Da dieser sich weigerte, zog der Arbeitnehmer vor Gericht und klagte.
BAG leitet Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH ein
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) war der Ansicht, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz beim Arbeitgeber beantragen müsse, damit er nicht am Ende des Bezugszeitraums ersatzlos untergehe. Es war sich aber über die Vereinbarkeit dieses in Deutschland geltenden Grundsatzes mit dem Unionsrecht nicht sicher. Deshalb fragte es den EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren, ob das Recht der EU einer solchen Regelung entgegenstehe.
Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH macht zunächst der Generalanwalt einen Vorschlag zur Entscheidung. Meist folgt das Gericht dem Vorschlag. Deshalb indiziert bereits der sogenannte Schlussantrag, wie das Verfahren ausgehen wird.
Anspruch auf Abgeltung erlischt nicht unbedingt
Die Entscheidung (Schlussantrag des Generalanwalts): Der Generalanwalt des EuGH hat klargestellt, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ein bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts sei. Deshalb könne der Anspruch nach Ablauf des Bezugszeitraums nicht erlöschen, jedenfalls dann nicht, wenn der Arbeitnehmer nicht in der Lage gewesen sei, seinen Urlaub zu nehmen.
Maßgeblich ist, wie sehr sich der Arbeitgeber für die Inanspruchnahme des Urlaubs eingesetzt hat
Der Generalanwalt wies darauf hin, dass die deutschen Regelungen dem Unionsrecht insoweit entgegenstünden. Denn danach verlieren Arbeitnehmer ihren Anspruch auf finanzielle Vergütung für den bei Beendigung nicht genommenen Urlaub, wenn sie während des bestehenden Arbeitsverhältnisses keinen Antrag stellen und nicht nachweisen, dass es ihnen unmöglich war, den Urlaub zu nehmen.
Nach dem Unionsrecht müsse hingegen der Arbeitgeber nachweisen können, dass er geeignete Maßnahmen ergriffen habe, um sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch während des Arbeitsverhältnisses wahrnehme. Könne er nachweisen, dass er sich darum bemüht habe, und habe der Arbeitnehmer letztlich darauf verzichtet, seinen Urlaubsanspruch während des Beschäftigungsverhältnisses geltend zu machen, obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, scheide eine finanzielle Abgeltung aus.
Danach ist davon auszugehen, dass der Rechtsreferendar keinen Anspruch auf einen Abgeltungsanspruch hat. Der Arbeitnehmer des Max-Planck-Instituts hat hingegen gute Chancen, dass ihm ein Abgeltungsanspruch zugesprochen wird. Denn die Entscheidung über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses fiel sehr kurzfristig.
FAZIT: Arbeitgeber ist in der Pflicht
Nach dem Unionsrecht trägt der Arbeitgeber eine höhere Verantwortung. Es ist seine Aufgabe, die Arbeitnehmerrechte sicherzustellen. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, profitiert der Arbeitnehmer. Ich halte Sie auf dem Laufenden, wie der EuGH letztendlich entscheidet.
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